
© A. Klaer
INTERKULTURELLES PATINNENPROJEKT: Wie können Mädchen sich daran beteiligen? Kein Weg führt aneinander vorbei
Mädchentreff „Zimtzicken“ wirbt mit Plakataktion an Schulen für interkulturelles Patinnenprojekt
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Das Patinnenprojekt ist ein Angebot für Mädchen mit und ohne Migrationshintergrund im Rahmen des Konzepts „Mädchenzukunft – selbstbestimmte Wege zwischen den Kulturen“. Teilnehmen können Mädchen, gleich welcher Herkunft, im Alter zwischen acht und 18 Jahren. Wer Patin werden möchte, meldet im Potsdamer Mädchentreff „Zimtzicken“ im Hans-Marchwitza- Ring 55 sein Interesse an. Die im Projekt arbeitenden Sozialpädagoginnen vermitteln dann den Kontakt zu einem Mädchen, deren Eltern aus einem anderen Kulturkreis kommen. Aufgabe für die Patinnen ist es, sich gegenseitig möglichst viel von der eigenen Kultur zu zeigen und diese im Idealfall mitzuerleben. Daher sollten die Patinnen auch auf die Unterstützung und Offenheit ihrer Familien zählen können. Das als Modell geförderte Projekt läuft zunächst bis April 2011 und soll danach verstetigt werden. Weitere Informationen unter www. zimtzicken.potsdam.org, Tel. 0331-270 03 66
oder wochentags von 14 - 19 Uhr im Mädchentreff.
Vielleicht haben sich die Mädchen ja schon mal gesehen, in der Schule oder in der Straßenbahn? Sind sich hier und da über den Weg gelaufen, ohne Notiz voneinander zu nehmen. Bei den „Zimtzicken“ sehen sie sich plötzlich mit anderen Augen: Toni und Nhung. Die eine kess und sommersprossig, die andere sanft lächelnd, das tiefschwarze Haar aus dem Gesicht streichend.
Die beiden gehören zu den ersten Schülerinnen, die der Potsdamer Mädchentreff in seinem interkulturellen Patinnenprojekt einander näher gebracht hat. Dass sie sich mögen, ist nicht zu übersehen. Toni und Nhung lachen vom Plakat, mit dem die „Zimtzicken“ ab sofort in den Schulen der Stadt für ihre Aktion werben. Mädchen unterschiedlicher Herkunft sollen sich kennenlernen, Fremdheit überwinden und sich in die Kultur des anderen einfühlen. „Es geht um gleichberechtigte Patenschaften, nicht um ein Hilfsangebot für Migrantinnen“, erklärt Wiebke Matthesius-Handorf.
Für die Teamchefin des Mädchentreffs ist es selbstverständlich, dass das Projekt auch einer besseren Integration der Zuwanderinnen dient. Sie möchte jedoch keine einseitige Ausrichtung. „Wir wollen die üblichen Muster aufbrechen und dabei die Lust wecken, andere Sichtweisen, Gewohnheiten und kulturelle Stile nachzuvollziehen.“
Der Mädchentreff öffnet den dafür nötigen Freiraum, in dem sich die acht- bis 18-Jährigen treffen, ernsthaft miteinander diskutieren, aber auch belanglos quatschen können. „Das Interesse bei den Migrantinnen ist groß“, berichtet Wiebke Matthesius-Handorf. Viele der Mädchen aus Vietnam, Osteuropa und Afrika, die in den Treff kommen, würden gern Patin werden, doch noch mangele es am deutschen Pendant.
Deshalb haben die „Zimtzicken“ jetzt mit Unterstützung der F.C. Flick-Stiftung gegen Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und Intoleranz eine Plakataktion in Schulen gestartet. Dort, wo die Kinder und Jugendlichen täglich zusammen sind, wo sie scheinbar miteinander lernen und die Pausen verbringen, fühlen sich Zuwanderer nicht selten isoliert und unverstanden. Mit einer echten Patenschaft, so die Idee des Mädchentreffs, könnte sich das schnell ändern.
In dem von der ARD-Fernsehlotterie geförderten Projekt sollen die Patinnen einander möglichst viel von der eigenen Kultur vermitteln, nicht theoretisch, sondern im Alltag, beim Kochen und Essen, beim Haareflechten, Schneidern oder beim Anschauen von Fotos. All das können die Mädchen im Treff oder auch zu Hause in den Familien tun.
„Das setzt natürlich die Offenheit der Eltern voraus, die wir gern mit einbeziehen möchten“, sagt Wiebke Matthesius-Handorf. Kinder von Zuwanderern übernehmen wegen ihrer schnell erworbenen Zweisprachigkeit oft eine verantwortungsvolle Vermittlerrolle zwischen ihrer Familie und dem neuen sozialen Umfeld. Das Patinnenprojekt könnte da entlastend wirken. Wiebke Matthesius-Handorf hofft, dass sowohl Eltern als auch Lehrer das Entstehen der Patenschaften unterstützen. Nicht zuletzt gehe es hierbei um interkulturelle Bildung.
Dank der dreijährigen Förderung als Modellprojekt kann der Mädchentreff auf die Unterstützung der angehenden Sozialpädagogin Huyen Nguyen Thanh zählen. Aus Vietnam kommend, bringt sie eigene Migrationserfahrungen und großes Verständnis für die besonderen Bedürfnisse der Mädchen mit. Um ihnen andere Kulturen und Religionen nahe zu bringen, hat sie mit ihnen die Pagode der buddhistischen Gemeinde in Spandau und die evangelische Friedenskirche in Sanssouci besichtigt. Bald wird sie ihnen auch eine Moschee und eine Synagoge zeigen.
Kommen die Patinnen im Mädchentreff zusammen, ist Huyen Nguyen Thanh immer dabei. Sicher auch Mitte Mai zur Karaokenacht, in der Toni und Nhung, die beiden vom Plakat, vielleicht gemeinsam zum Mikrofon greifen werden. Spätestens bis zum Sommer wollen sie echte Patinnen sein, denn dann geht es mit den „Zimtzicken“ zur Ostsee auf den alljährlichen Segeltörn. Auf dem alten Schiff ist es sehr eng, da müssen die Mädchen zusammenrücken. Kein Weg führt dann mehr aneinander vorbei.
Antje Horn-Conrad
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