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Landeshauptstadt: Wie Persius zum Kita-Baumeister wurde

Die Villa Tieck hat eine bewegte Geschichte. Nun steht ihre Sanierung vor dem Abschluss

Von Peer Straube

Stand:

Sanssouci - Zwei Millionen Euro sind zweifellos eine Menge Geld. Für Horst- Dieter Weyrauch sind sie ein „wunderbares Geschenk“. Denn mit dieser Summe aus dem Welterbestättenprogramm des Bundes, auch Konjunkturpaket I genannt, verwirklicht der Geschäftsführer der Evangelischen Friedenskirchengemeinde einen lange gehegten Traum.

Weyrauch betreut die Fassadenrestaurierung der Villa Tieck in der Schopenhauerstraße und die Sanierung des dazugehörigen Gartenhauses nebst Friedenssaal. Seit 1874 werden in der Villa, benannt nach dem Dichter Ludwig Tieck, der hier in den 1840er Jahren seinen Sommersitz hatte, ununterbrochen Kinder betreut. Damit ist das Gebäude eine der ältesten Kitas der Stadt.

Doch die einstige Schönheit des Persius-Baus hatte der Zahn der Zeit im Laufe der Jahrzehnte fast bis zur Unkenntlichkeit abgenagt. Grau war die Fassade, der Putz war stellenweise großflächig abgefallen. Als besorgte Eltern fragten, wer die Verantwortung übernehme, wenn ihren Kindern ein Putzfladen auf den Kopf fällt, wurde Weyrauch aktiv. Er sprach mit dem Kulturministerium des Landes, auch mit der Deutschen Stiftung Denkmalschutz – und bekam den Tipp, sich um KP-I-Mittel zu bewerben. Mit Erfolg. Wenn Weyrauch davon erzählt, spürt man, dass Villa und Friedenssaal für ihn nicht irgendein Gebäudeensemble sind. Tief hat er sich in die Geschichte des Grundstücks hineingegraben. Und die ist wirklich spannend: Ein Hopfenbauer, ein Amtmann, ein Dichter und ein Hofmarschall haben hier gewohnt, eine Ex-Königin und ein adeliger Lebemann stritten über die Nutzung, es hat eine Bank beherbergt und ein Casino der Roten Armee.

Das alte Haus des Hopfenbauers, der dort lebte, als Friedrich II. noch nicht lange König war, rückte erst fast 100 Jahre später wieder in den Blickpunkt des königlichen Interesses. Friedrich Wilhelm IV. erwarb das Grundstück, um es in die Verschönerungspläne für den Park Sanssouci einzubeziehen. Der Monarch beauftragte Ludwig Persius mit der Umgestaltung zur Villa, die Entwürfe lieferte er teilweise gleich mit. Der König bot es Ludwig Tieck als Sommerhaus an, der Dichter nahm dankend an. Doch es war – Jahre später – die Witwe des Romantikers auf dem Thron, Elisabeth, die dem Haus zur heutigen Funktion verhalf. Fürst Pückler, der Lebemann und geniale Gartengestalter, wollte es zum Gästehaus für Besucher des Königs machen, doch Elisabeth setzte sich bei ihrem Schwager durch. Auf ihren Wunsch hin übertrug Wilhelm I. am 23. Oktober 1874 das Objekt der Friedenskirchengemeinde, um deren Kinderbewahranstalt dort unterzubringen. Die alte am Marlygarten war zu klein geworden. 1907 kam der letzte deutsche Kaiser abermals einem Wunsch nach. Wilhelm II. ließ sich überreden, der Gemeinde einen eigenen Saal für Veranstaltungen zu finanzieren – das Gartenhaus nebst Friedenssaal wurde errichtet. Als die Sparkasse in der Friedrich-Ebert- Straße 1945 ausgebombt wurde, diente die Villa vorübergehend der Bank als Sitz, im April 1946 funktionierte die sowjetische Militäradministration die Gebäude zum Casino und zum Magazin um. Erst 1951 gelang es der Gemeinde nach zähem Ringen, das Gelände zurückzubekommen. Die Kinder nahmen es wieder in Beschlag. Doch die Mangelwirtschaft der DDR beschleunigte den Verfall. Der Friedenssaal wurde schon seit Jahren nicht mehr genutzt. „Da sah es schlimm drin aus“, erinnert sich Weyrauch.

Inzwischen bietet er ein weitaus freundlicheres Bild. Die Akustik wurde verbessert und wenn das Ensemble am 25. September übergeben wird, soll der fast 200 Menschen fassende Saal nicht nur der Gemeinde zur Verfügung stehen, sondern auch für Veranstaltungen vermietet werden. Das erforderten schon die hohen Betriebskosten, so Weyrauch. Das dazugehörige Gartenhaus wird wie gehabt von der Kita genutzt, im Obergeschoss sind Aufenthaltsräume für die Mitarbeiter nebst Küche und ein Raum für die Junge Gemeinde entstanden. Und es gibt einen ganz besonderen Clou: Das Dach des Verbinders zwischen Friedenssaal und Gartenhaus kann als Terrasse genutzt werden – mit malerischem Blick auf die Friedenskirche. Am 9. September sollen die Gerüste abgebaut werden.

Die Villa Tieck selbst ist bereits abgerüstet und ein echter Blickfang. Die Palmetten aus Zinkguss sind wieder vollständig und umlaufen das Dach wie eine Krone. Das Schmuckfries unterhalb des Firsts – es fehlte komplett – ist erneuert worden, die baufällige Loggia wurde saniert und hat den 86 Kitakindern einen neuen Spielraum beschert. Weil andere Städte ihre KP-I-Mittel nicht abgerufen haben, hat Weyrauch im Februar sogar noch einen Nachschlag für die Außenanlagen bekommen: 150 000 Euro. Dafür sollen ab September Mauer, Wege und Grünanlagen saniert sowie ein Rundkurs zum Dreiradfahren angelegt werden.

Weyrauch steht im Hof. „Ich bin außerordentlich glücklich“, sagt er und blickt sich um. „Es sieht so schön aus.“

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