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Landeshauptstadt: Wie schlecht sind eigentlich unsere Schüler?

Podiumsdiskussion zu „Schule trifft Wirtschaft und Hochschule“

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Podiumsdiskussion zu „Schule trifft Wirtschaft und Hochschule“ Von Karsten Sawalski Der Veranstaltungsort wirkt repräsentativ. Im neuen Potsdamer Oberstufenzentrum I - Technik scheinen die Rahmenbedingungen für eine gute Berufsausbildung – zumindest von der Ausstattung her – zu stimmen. Dennoch klagt Schulleiter Hans Lück: „Die Hälfte der Berufsschüler fällt durch die Kammerprüfung“. Sind die Schüler nicht adäquat auf ihre Berufsausbildung vorbereitet und wie sollten sie gemäß den Erwartungen aus Wirtschaft und Wissenschaft qualifiziert werden? Zu diesen Fragen äußerten sich jetzt Vertreter von Wirtschaft, Schulen, Hochschulen und Politik während einer Podiumsdiskussion. Die Schuld an der Misere oder an dem miserablen Niveau der Schulabgänger tragen immer die anderen – das wird auch bei der Diskussion deutlich, die mit etwa 20 Gästen nur mäßig besucht ist. Lück kritisiert die Wirtschaft, die sich nur zu 36 Prozent an der beruflichen Ausbildung am Oberstufenzentrum beteiligt. Die „Perspektivlosigkeit“ der heranwachsenden Generation äußere sich im Schulalltag dadurch, dass die Auszubildenen „Mangel an Interesse, Konzentration und Ausdauer“ zeigen, so Lück. Außerdem habe man es „besonders bei den Jungs mit Verhaltensauffälligkeiten“ zu tun. Trotzdem könne sich die Wirtschaft nicht einer ganzen Generation verweigern. „Wir haben diese Jugend, so wie sie ist“, stellt Lück klar, „wir können sie nicht in die Ecke stellen“. In den höher führenden Schulen scheint die Lage nicht besser zu sein. „Wir haben erstmalig für alle siebten Klassen Nachhilfeunterricht in Mathematik und Deutsch beantragt“, sagt Dieter Rauchfuß, Leiter des Hermann-von-Helmholtz-Gymnasiums. Zur Vorbereitung auf die Hochschule habe man mittlerweile einen „Fahrplan“ erstellt, in dem Schule und Universität über längerfristige Praktikas und Wissenschaftstage enger verknüpft werden. Das Gute: Es habe sich gezeigt, „dass sich die Schüler in die Verästelungen der Wissenschaft einarbeiten können“. Die Kritik: Die Hochschulen könnten mehr Kooperationsbereitschaft zeigen, befinden sich zur Zeit aber in einem „Selbstfindungsprozess“, so Rauchfuß. Aus Sicht der Hochschulen, sei zwar „das Gros der Studienanfänger in der Lage, selbstständig zu arbeiten“, meint Bernhard Muszynski von der Universität Potsdam. Aber der Professor-Doktor der Sozialwissenschaft findet auch die schlechten Seiten an den Jugendlichen: Sie würden zu unkritisch von ihren Hochschullehrern lernen und seien nicht problembewusst gegenüber der Wissenschaft. Auf „den großen demographischen Bruch“ seien die heutigen Erstsemester nicht vorbereitet, weil sie sich zu sehr am Status der Älteren orientierten, denen sie nacheifern würden, anstatt mit eigener Fantasie die Zukunft zu gestalten. Ausgerechnet der Vertreter der Wirtschaft gibt dann die positivste Einschätzung jetziger Berufsanfänger ab. Torsten K. Bork, Vizepräsident des Unternehmerverbandes Brandenburg e.V. meint, das Wichtigste sei, „dass junge Leute für sich - und wenn alles gut läuft – auch für andere Verantwortung übernehmen und dabei stehen wir gar nicht so schlecht da“. Bork appelliert an die Schulen, nicht länger zu warten und sagt, dass die Unternehmer des Verbandes sich als Partner bei der Bewältigung der Misere sehen. Projekte wie „Unternehmer an die Schule“ könnten den Schülern zeigen, „wie Wirtschaft funktioniert“. Aufgrund der demographischen Entwicklung müssten sich die Unternehmer zunehmend um ihren Nachwuchs kümmern: „Es ist jetzt schon schwer für manche Branchen, wie beispielsweise Bäcker, Auszubildene zu bekommen“. Die Politik zeigt keine Lösungen auf. Bildungsminister Steffen Reiche kritisiert die Schulleiter, die „so lange nicht reagieren, bis die Schule geschlossen wird“ und fordert, dass Schule praxis- und realitätsnäher werden muss. Aber richtig durchgreifen kann der Minister nicht, weil es in Deutschland keine einheitlichen Bildungsstandards gibt. Diesen „Masterplan“ fordert ein Handwerksmeister in der anschließenden Diskussion. „Ich war im letzten Jahr bei acht Veranstaltungen, die so abliefen wie diese“, sagt der Meister erbost, „aber nichts ist passiert!“ Er fordert ein konsequenteres Durchgreifen der Leiter in Schulen und Politik.

Karsten Sawalski

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