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Landeshauptstadt: Wieder Leben im Musikerhaus

Längere Zeit leerstehendes Hofgebäude wurde von der Waisenhaus-Stiftung zurück erworben

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Innenstadt - In das längere Zeit leerstehende Hofgebäude des Großen Waisenhaus ist wieder Leben eingezogen. Der Stiftung gelang es im vorigen Jahr, das stattliche vierstöckige Haus in der Breite Straße 9 A bei dessen Zwangsversteigerung zurück zu erwerben. Die Kanzlei eines prominenten Rechtsanwaltes und eine Dienstleistungsgesellschaft wurden als Mieter gewonnen. Ins Erdgeschoss ist die Leitung der Stiftung selbst eingezogen, ihre bisherigen Geschäftsräume im so genannten Kommandantenhaus in der Breite Straße 9 werden jetzt vom Landesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten genutzt.

Damit kann Geschäftsführer Jürgen Pankonin darauf hinweisen, dass nunmehr im Geviert zwischen Breiter, Dortu-, Sporn- und Lindenstraße sämtliche Gebäude des 1724 durch König Friedrich Wilhelm I. gegründeten Großen Militärwaisenhauses wieder im Besitz der Stiftung sind und dass sie auch alle genutzt werden. Aus den Mieteinnahmen werden unter anderem die Millionenkredite refinanziert, die in den 1990er Jahren für die 2001 abgeschlossene Sanierung des kriegsbeschädigten Komplexes aufgenommen werden mussten.

Der beim Neubau des Waisenhauskarrees unter Friedrich II. 1776 an der Stelle eines flacheren Vorgängerbaus errichtete Querflügel wird als „Musikerhaus“ bezeichnet. Dieser Name geht auf die Ausbildung von Militärmusikern zurück, die hier ab 1822, nach anderen Angaben ab 1817, stattfand. (Zuvor war das Haus für die Kadettenanstalt genutzt worden, die junge Adlige zu Offizieren heranzog.) Etwa 30, später 60 Musikschüler, ihre Lehrer und Unteroffiziere wohnten in dem 47 Meter langen und zehn Meter breiten Gebäude, das eine Nutzfläche von 2132 Quadratmetern besitzt. Wie der bei der Stiftung angestellte Historiker René Schreiter recherchiert hat, befanden sich die Unterrichtsräume im ersten Stock, darüber die Wohnsäle und im dritten Obergeschoss die Schlafsäle und ein Konzertsaal.

Militärmusiker – nach dem vorherrschenden Instrument, der Oboe, „Hautboisten“ genannt – waren in Potsdam allerdings schon weit früher herangezogen worden. Nachdem Friedrich Wilhelm I. 1713 sein Königsregiment mit dem „Langen Kerls“ in der Stadt zu konzentrieren begann, übernahm Regimentskapellmeister Gottfried Pepusch die Ausbildung von Pfeifern, Tambours, Trompetern und Paukern. Der Unterricht wurde im Wohnhaus des Lehrers, Yorckstraße 3, erteilt. Das blieb lange Zeit so, auch nach Eröffnung des Waisenhauses, dem die Musikschüler zugeordnet wurden. Sie mussten über 14 Jahre alt sein und die allgemeine Schulbildung bereits abgeschlossen haben. Erst 1817 (oder 1822) erhielt die Schule die Räume im Musikerhaus. Direktor wurde ein Herr Antoni (Vornamen nicht überliefert), der selbst im Militärwaisenhaus aufgewachsen war. Er erweiterte die Ausbildung auf alle Orchesterinstrumente.

Das in der DDR-Zeit kolportierte Zerrbild des zur Kinderarbeit gezwungenen, schlecht gebildeten und ausgebildeten Zöglings trifft auch auf die Musikschüler nicht zu. Antonis Eleven verstärkten nicht nur die damals sehr beliebten Militärkapellen, einige stiegen sogar zu gefeierten Virtuosen auf. Dazu zählten die Brüder Bärmann sowie Georg Friedrich Brandt, für die Carl Maria von Weber mehrere Fagott- beziehungsweise Klarinettenwerke schrieb. Sie waren auch mit den berühmten Komponisten Mendelssohn-Bartholdy und Meyerbeer befreundet.

1870 wurde die Militärmusikschule am Waisenhaus aufgelöst. Das Hofgebäude diente dann der Militärschule des Waisenhauses als Schülerwohnheim und ab 1938 der neu eingerichteten Oberschule, in der die Zöglinge erstmals bis zum Abitur geführt wurden.

Erhart Hohenstein

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