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Von Jan Brunzlow: Wieder vier weniger

Etwa 120 Blindgänger aus dem zweiten Weltkrieg sind seit 1990 in Potsdam entschärft worden

Stand:

Mit der Spitze nach unten in einem Meter Tiefe hat die Fliegerbombe aus dem Zweiten Weltkrieg gelegen, die Horst Reinhardt gestern entschärfen musste. Vier Blindgänger sind es insgesamt gewesen, die die Männer des Staatlichen Munitionsbergungsdienstes am Mittwoch unschädlich gemacht haben. Seit 1990 sind somit in Potsdam etwa 120 Fliegerbomben entschärft worden, die vermutlich in der Bombennacht am 14. April 1945 die Innenstadt treffen sollten. Warum die jeweils 250 Kilogramm schweren Eisenkollosse in einem Gebiet liegen, das Luftlinie mehr als drei Kilometer vom Zielort entfernt ist, darüber spekuliert auch Horst Reinhardt. Absichtlich daneben geworfen oder vielleicht schlechtes Wetter könnten seiner Ansicht nach Gründe sein. In jener Nacht sollen 1752 Tonnen Bomben in nur 30 Minuten abgeworfen worden sein. Immer wieder kommt es daher, wie auch in Oranienburg, zu Bombenfunden in Potsdam. Gestern wurden wegen der Entschärfung 3000 Menschen evakuiert, zudem mussten die Klimafolgeforscher auf dem Telegrafenberg sowie die Landtagsabgeordneten ihren Arbeitsbeginn in die Nachmittagsstunden verlegen.

Gegen 11 Uhr zogen vier Evakuierungstrupps von Polizei, Ordnungsamt und Feuerwehr durch die leeren Straßen. Sie sollten sicherstellen, dass auch wirklich alle Anwohner ihre Häuser freiwillig verlassen hatten. „Hatten sie nicht“, erklärte Hartmut Kreft von der Stadtverwaltung. Fünf Anwohner mussten zum Verlassen des Sperrbereichs erst durch Polizei und Feuerwehr überzeugt werden, erklärte Elona Müller. Die Beigeordnete sagte, dass eine Haustür von der Polizei geöffnet werden musste. Die Bewohner hätten danach ihre Wohnungen ohne weiteren Druck verlassen. Dies habe den Start der Entschärfung allerdings um 30 Minuten verzögert.

Zur Absperrung und Evakuierung der Potsdamer rund um den Brauhausberg waren 270 Mitarbeiter der Stadtverwaltung und 150 Feuerwehrleute, Polizisten sowie DRK-Kräfte im Einsatz. Während der Entschärfung gab es umfangreiche Straßensperrungen rund um den Brauhausberg. Die Mitarbeiter des Munitionsbergungsdienstes Horst Reinhardt, Manuel Kunzendorf und Ralf Kirschnick haben um 13.18 Uhr vier entschärfte Bomben gemeldet – sechs Stunden nach Beginn der Evakuierung.

„Sagen Sie dem Matthias, dass er jetzt seine Regierungserklärung halten kann“, gab Oberbürgermeister Jann Jakobs per Telefon an die Staatskanzlei und Ministerpräsident Matthias Platzeck durch und meldete zugleich Entwarnung. Als Zeichen der Solidarität mit den Verwaltungsmitarbeitern sei er mit der zuständigen Beigeordneten sowie weiteren Führungskräften des Rathauses vor Ort gewesen.

Die Bombensuche im Forst war eine systematische Suche, weil im kommenden Jahr geerntet werde, hieß es gestern. Dafür würden schwere Fahrzeuge Schneisen durch den Wald ziehen – diese Wege seien nun von Blindgängern befreit. Die gestern entschärften Bomben amerikanischer und britischer Bauart waren am Freitag entdeckt worden. Ziemlich verrostet seien sie gewesen, sagte Horst Reinhardt. Der 54-Jährige hat in seinem Leben schon 140 Blindgänger entschärft. Er erklärte, die Arbeit werde immer schwieriger, weil der Zustand der im Erdboden liegenden Bomben sich immer mehr verschlechtere. Vor allem der in den Sprengkörper geschraubte Zünder sei im Gewinde verrostet. Dagegen sehe das Innenleben der Bombe aus, als sei sie gerade zusammengesetzt worden. Im Bauch des Stahlgebildes ist der Sprengstoff TNT zu finden – einst in flüssiger Form in die Metallhüllen hineingegossen und danach ausgehärtet. Mit weiteren Blindgängern in diesem Bereich rechnet Reinhardt nicht. Die Arbeiten werden bis Weihnachten abgeschlossen sein. Danach wartet der nächste Suchauftrag in einem Waldgebiet bei Fahrland.

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