Links und rechts der Langen Brücke: Wiese kann teuer werden
Erhart Hohenstein über den Versuch, die Pächter so genannter Erholungsgärten zu schröpfen
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Für ein 200 Quadratmeter großes Wiesenstück, von dem Futter für Ziege oder Kaninchen geholt wird, statt 60 Euro Jahrespacht plötzlich 360 an die Stadt zahlen zu müssen, stellt eine Zumutung dar. Solche Steigerungen sahen aber die Bescheide vor, die der Kommunale Immobilienservice (KIS) an die Pächter versandte. Für ein etwas anspruchsvolleres Gartengrundstück kommen dabei auch schon mal 2500 Euro und mehr zusammen. Es ist erstaunlich, wie wenig lernfähig und -willig sich nach wie vor die Stadtverwaltung zeigt, obwohl sie wegen ihres bürgerunfreundlichen Verhaltens seit Wochen schwer unter Beschuss steht. Selbstherrlich schert sie in ihren Forderungen städtisches Land ohne Berücksichtigung von dessen Lage und Nutzung als „Erholungsgärten“ über einen Kamm, für die ein höherer Pachtzins verlangt werden kann als für Kleingärten unter dem Dach des Verbandes der Garten- und Siedlerfreunde (VGS). Kein Gedanke daran, ob die Pächter den hohen Zins zahlen können oder ihre Grundstücke aufgeben müssen. Kein Gedanke auch, was dann mit den abgegebenen Flächen geschehen soll. Sie müssten durch den Eigentümer, also die Stadt, bewirtschaftet, zumindest in Ordnung gehalten werden. Das würde einen Aufwand von 40 000 - 50 000 Euro jährlich erfordern. Der Vorstoß des Kommunalen Immobilienservice ist also nicht nur bürgerfeindlich, sondern auch sachlich unausgegoren. Glücklicherweise wurde er inzwischen von Oberbürgermeister Jann Jakobs gestoppt. Nunmehr soll der Pachtzins differenziert nach Lage und Wert der Flächen festgelegt werden. Jakobs konnte wohl nicht anders, wenn er die Unzufriedenheit der Stadtbevölkerung mit ihrer Verwaltung nicht auf die Spitze treiben will. Zudem bekommt er kräftig Zunder von den Stadtverordneten, selbst aus seiner eigenen Partei, die über den Vorstoß des KIS vorher nicht informiert wurden. Gerade waren die Fraktionschefs Mike Schubert (SPD) und Steeven Bretz (CDU) dem Kleingartenbeirat beigetreten, um ihre Verbundenheit mit dem gärtnernden Bevölkerungsteil zu demonstrieren. Und nun dieser peinliche Zwischenfall! Er ist nicht geeignet, dass Misstrauen gegenüber der Stadtverwaltung abzubauen, das in den 1990er Jahren schon einmal zu einem regelrechten „Kleingartenkrieg“ in Potsdam geführt hatte.
Erhart Hohenstein
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