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Ein Schützling. Die Grasnelke.

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Homepage: Wildwuchs im Garten

Die Botaniker der Uni Potsdam möchten Bürger aktiv am Schutz von seltenen Wildpflanzen beteiligen und suchen dafür Geldgeber

Karthäusernelke, Graue Skabiose, Haarpfriemengras – diese drei Wildpflanzen haben einiges gemeinsam: Sie sind bedroht, sie mögen es eher trocken und sandig und sie sind in naher Zukunft wohl gehäuft in Schrebergärten anzutreffen. Gefährdete Pflanzen und Schrebergärten, die Kombination weckt Interesse. Zwischen Johannisbeersträuchern und Salatpflanzen erwartet wohl niemand das Vorkommen botanischer Seltenheiten. Doch genau dies soll sich ändern. „Urbanität und Vielfalt: seltene heimische Wildpflanzen im Garten – Biodiversität durch bürgerschaftliches Engagement“ heißt das Projekt des Botanischen Gartens der Universität Potsdam, das in Klein- und Privatgärten, auf Balkonen und auf ausgewiesenen Freiflächen Überlebensräume für bedrohte Pflanzen schaffen soll.

Das Projekt soll möglichst bald starten – allerdings fehlen noch Gelder. „Wir suchen händeringend nach Sponsoren“, sagt Michael Burkart, Kustos des Botanischen Gartens Potsdam und Leiter des Projekts. Eine Förderung durch die Deutsche Bundesstiftung Umwelt für das Vorhaben stehe in Aussicht, doch es fehle noch eine sechsstellige Summe, um das Projekt zu verwirklichen, so Burkart. Gelingt die Finanzierung, werden in den botanischen Gärten in Potsdam, Berlin und Marburg Jungpflanzen angezogen und an interessierte Gärtner und solche, die es werden wollen, ausgegeben. Jeder Teilnehmende bekommt drei Pflanzenarten nebst Steckbrief und Pflegeanleitung. „Mitmachen kann jeder“, betont der Biologe und Journalist Patrick Loewenstein, der das Projekt koordiniert. Damit wolle man ein Angebot im Naturschutz schaffen, das mit wenig Aufwand umgesetzt werden könne. „Kleingärtner haben sehr viel Erfahrungen mit Pflanzen, aber bisher eher weniger Erfahrung mit Naturschutz“, so der Biologe. Mit der Pflanzenpatenschaft könnte sich dies bald ändern. Burkart wünscht sich einen regen Austausch über den Gartenzaun.

Auch wer keinen eigenen Garten hat, kann sich beteiligen. Denn selbst ein Balkonkasten oder ein Blumenkübel vor der Tür genügt den Wildpflanzen, die in der Natur auf sehr kargen Standorten wachsen. Basenreicher Trockenrasen nennt der Experte diesen natürlichen Lebensraum der ausgewählten Arten. Dieser kommt in Brandenburg nur noch äußerst selten vor und gilt als besonders gefährdet, denn er entstand durch regelmäßige Schafbeweidung – eine Nutzungsform, die es heute kaum noch gibt.

„In erster Linie wollen wir mit dem Projekt einen Beitrag zur Umweltbildung leisten“, erklärt Burkart. Für Teilnehmer werden Exkursionen in die natürlichen Lebensräume der Pflanzen angeboten. Wer möchte, darf sogar auch hier in freier Wildbahn pflegend tätig werden. Denn viele Arten seien an die menschliche Nutzung angepasst und verschwänden ohne diese, so Burkart. „Wenn man diese Arten erhalten möchte, muss die Nutzung simuliert werden.“ Wo früher Schafherden weideten, müssen heute die Sensen geschwungen werden, um die Flächen frei von Baum- und Strauchbewuchs zu halten. Ohne die regelmäßige Mahd haben Skabiose, Grasnelke und Co. keine Überlebenschance.

Insgesamt werden etwa 70 Pflanzenarten an Pflanzenpaten ausgeteilt. „Es werden unscheinbare Pflanzen wie Gräser oder Kräuter mit kleinen Blüten dabei sein, es werden aber auch schöne Blumen wie Nelken oder Ehrenpreise abgegeben“, so Burkart. Doch mit den gezüchteten Gartenformen seien die Wildarten nicht vergleichbar, betont der Botaniker. „Es geht uns nicht darum, mit bunten Blumen zu protzen, sondern klarzumachen, dass auch unscheinbare Pflanzen erhaltens- und schützenswert sind“, ergänzt Loewenstein.

Haben die Wildpflanzen sich unter der Obhut pflegender Hände vermehrt, kann der Pflanzennachwuchs auf eine Arche-Fläche umgesiedelt werden. Diese zentral gelegenen und öffentlich zugänglichen Freiflächen sind ein weiterer Schwerpunkt des Projekts. Sie sollen Anlaufstelle für Teilnehmer und Betreuer sein. Hier erhalten Pflanzenpaten und andere Besucher weiterführende Informationen über die gefährdeten Arten und ihre Biotope.

Bei regelmäßig stattfindenden Projekttreffen gibt es die Möglichkeit, miteinander ins Gespräch zu kommen. Ergänzt werden die Arche-Flächen durch einen Naturerfahrungsraum für Kinder, um das Angebot auch für Familien attraktiv zu machen. „Ein Spielplatz ohne Spielgeräte, dafür mit reichlich Natur und mit Rückzugsmöglichkeiten“, so beschreibt Burkart das Konzept. Hütten bauen, Käfer fangen, im Dreck buddeln – diese Wald- und Wiesenerlebnisse seien für viele Eltern wichtige Erinnerungen an die eigene Kindheit. Mit der Kombination von Arche-Fläche und Naturerlebnisraum schlage man gleich zwei Fliegen mit einer Klappe, so Loewenstein: „Die Kinder spielen in naturnahen Räumen, während sich die Eltern am Projekt auf der Arche-Fläche beteiligen und so aktiv im Naturschutz betätigen können.“ Heike Kampe

Heike Kampe

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