Sport: „Wir haben viel Lehrgeld bezahlt“
Trainer Christian Benbennek über die Führungskrise und die erfolgreiche Hinrunde des Fußball-Drittligisten SV Babelsberg 03
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Herr Benbennek, nach einigen Wochen relativer Ruhe wird der SV Babelsberg 03 gerade wieder von einer Führungskrise erschüttert. Ist es gut, dass die Spieler jetzt erst einmal im Urlaub sind?
Der Rücktritt unseres Aufsichtsratschefs Friedhelm Schatz kam für alle sehr überraschend. In Unruhe oder Hektik ist allerdings keiner der Spieler verfallen. Die Absage des Spiels gegen Rostock war ja fast schon am Donnerstag klar und so kehrte plötzlich eine sehr gelöste Stimmung ein. Wir freuen uns auf Weihnachten und brauchen diese Pause auch.
Inwiefern beeinflusst die Unruhe im und um den Verein die Arbeit der Drittliga-Mannschaft und ihres Trainers?
Die Situation im Verein beschäftigt uns alle, aber nicht zu sehr. Unruhen mit einzelnen Spielern oder den Fans würden uns mehr zu schaffen machen. Wir wissen, dass bis zum Ende dieser Drittligasaison alles abgesichert ist. Es geht jetzt allein um die kommende Saison. Und natürlich hoffen wir, dass der Verein liquide bleibt und überlebt. Aber bis jetzt hat kein Spieler nervös reagiert und ich tue das auch nicht.
Zu den sportlichen Aspekten: Haben Sie die Dritte Liga bislang so erlebt, wie Sie sie sich vor Ihrem Dienstantritt in Babelsberg vorgestellt hatten?
Es ist ein riesiger Sprung von der Regional- in die Dritte Liga. Und ich glaube, dass die Unterschiede zur Zweiten Liga weitaus geringer sind. Unsere Vorbereitung verlief sehr gut und wir waren alle sehr euphorisch. Ich dachte schon frühzeitig, dass wir uns gut entwickelt haben. Aber ich hatte mich da vertan. Allerdings ist es uns schnell gelungen, die neuen Spieler zu integrieren. In den ersten vier Spielen haben wir immer sehr früh Gegentore gefangen und die Mannschaft musste sich oft den Vorwurf gefallen lassen, dass sie nicht genügend kämpft. Wir haben uns damit auseinandergesetzt und ich habe immer gesagt, dass Entwicklung Zeit braucht. Die neuen Spieler mussten ankommen und ich auch. Das ist überhaupt solch ein Punkt. Mir ist hier das Glas viel zu oft halbleer. Bei mir ist es immer halbvoll. Unsere Mannschaft gehört zu den fittesten der Liga, aber wir haben viel Lehrgeld bezahlt. Inzwischen sind wir in der Spur.
Babelsberg 03 überwintert auf Tabellenplatz 13 mit vier Punkten Vorsprung zum Abstiegskeller – wie zufrieden sind Sie?
Wir sind mit dem bislang Erreichten zufrieden, weil wir uns sehr gesteigert haben. Aber wir dürfen jetzt nicht die Füße hochlegen und uns ausruhen. Das ist wie gesagt eine ganz harte Liga, in der wir allerdings immer nur auf uns schauen. Und am Ende wollen wir 46 Punkte auf dem Konto haben. Wichtig ist derzeit, dass wir überm Strich sind.
Nach holprigem Beginn hat sich Nulldrei seit Mitte Oktober stabilisiert. Ab dem 0:0 gegen Karlsruhe wurden aus den letzten sieben Spielen zwölf Punkte geholt. Was vor allem klappt inzwischen besser?
Die Spieler sind selbstbewusster geworden und wissen, was sie können. Sie wissen aber auch, was sie noch nicht können. Wenn das erst einmal erkannt ist, kann man daran arbeiten. Anfangs hatten sie immer Angst, Fehler zu machen. Das hat sich inzwischen gelegt.
Daheim hat der SVB aus zehn Spielen mit 9:5 Toren insgesamt 18 Punkte geholt, auswärts ist er mit 8:21 Toren und nur fünf Punkten aus zehn Partien so schwach wie kein weiterer Drittligist. Wie erklären Sie sich diese Diskrepanz?
Das Kuriosum ist ja, dass man solche Angst eher zu Hause vor den eigenen Fans haben müsste. Unsere Auswärtsbilanz sieht jedoch viel schlechter aus. Aber manches kann man eben nicht erklären.
Babelsbergs letzte beiden Punktspiele fielen wegen des Wintereinbruchs aus. Ist das für Nulldrei mehr ein Segen, weil so Torwart Frederic Löhe seine Verletzung auskurieren kann, oder mehr ein Fluch, weil so in der weiteren Rückrunde mehr englische Wochen auf die Mannschaft warten?
Ich bin nicht unzufrieden darüber, dass die Spiele ausgefallen sind. Ich habe Fredi sehr gern im Tor. Er hat zwar noch immer starke Knieprobleme, wird aber voraussichtlich zum Auftakt der Rückrunde am 26. Januar gegen Wiesbaden im Kasten stehen. Auch Daniel Zacher wird nach seiner überstandenen OP am 3. Januar beim Trainingsbeginn dabei sein.
Worauf sind Sie besonders stolz, wenn Sie auf Ihre Mannschaft blicken?
Die Mannschaft ist sehr ehrgeizig, sie macht einfach Spaß, es herrscht eine tolle Stimmung im Team. Wir sind bis jetzt mit 14, 15 Spielern ausgekommen. Allerdings wünsche ich mir künftig noch mehr Druck von der Bank. Mehr Konkurrenzkampf im positiven Sinne.
Welcher Ihrer Spieler hat Sie im bisherigen Saisonverlauf am positivsten überrascht?
Das sind einige. Unter anderem Matthias Kühne. An den ersten beiden Spielen konnte er nicht teilnehmen und hatte demzufolge einen kleinen Rückstand. Aber er hat sich wirklich toll entwickelt und ist aus unserer Viererkette nicht mehr rauszudenken. Aber auch Lennart Hartmann hat fußballerisch einen Sprung gemacht und kann durchaus zu den Top-Spielern der Liga gezählt werden. Auch der Wechsel von Matthias Rudolph zu Assimiou Touré hat sich bewährt – er ist jetzt endlich so weit. Und nicht zuletzt will ich auch Daniel Reiche erwähnen. Er brauchte seine Zeit, um in Babelsberg und bei der neuen Mannschaft anzukommen. Nun ist er Kapitän und spielt dabei eine sehr gute Rolle. Es war also eine richtige Entscheidung, ihm dieses wichtige Amt zu übergeben.
Mit 17 Toren traf der SVB so wenig wie sonst kein Drittligist. Ist das wirklich nur ein Problem Ihrer Stürmer oder sind Gründe für die mangelnde Treffsicherheit beispielsweise auch im Mittelfeld zu suchen? Werden Ihre Stürmer vielleicht zu wenig mit torgefährlichen Zuspielen gefüttert?
Das geht ja bereits bei der Spieleröffnung los. Wenn der erste Ball gleich gut gespielt und sofort Tempo gemacht wird, klappt das auch. Gute Angriffe kommen eben oft auch aus einem guten Umschalten heraus. Die Rotation und das Zuspiel funktionieren noch nicht immer perfekt, aber daran arbeiten wir.
Mit dem fünffachen Torschützen Philipp Kreuels und dem dreifachen Torschützen Oliver Kragl trafen bisher Mittelfeldspieler des SVB am häufigsten. Was ist deren Erfolgsgeheimnis?
Gut, Pipo Kreuels hat drei Elfer verwandelt und Oli Kragl glänzte durch zwei wunderbare Fernschüsse. Christian Essig hat es einmal auf den Punkt gebracht, als er sagte: ,Mit Pipo fühlen wir uns alle sicherer.’ Sein Laufstil hat etwas Besonderes. Manchmal scheint es, als ob er die Ärmel nicht richtig hochgekrempelt hat. Das täuscht aber. Er ist sehr gut und könnte durchaus in der Zweiten Liga spielen. Bei Oli ist es ähnlich, allerdings ließ er die Konstanz über die gesamte Hinrunde vermissen. Und er schießt zu wenig. Obwohl sein Schuss eine Waffe ist.
Der SVB hat angekündigt, in der Winterpause in der Offensive nachrüsten zu wollen. Werden bereits beim Trainingsbeginn am 2. Januar neue Gesichter erwartet?
Wir haben mehrere Spieler ins Auge gefasst, müssen allerdings auch auf unseren geringen Etat achten. Die ganz Großen scheiden somit aus. Und schließlich müssen wir auch abwarten, wohin die Reise des Vereins geht.
Für Neuverpflichtungen sollen bestehende Spielerverträge aufgelöst werden. Wissen die betreffenden Spieler schon davon oder erfahren sie das erst im neuen Jahr?
Wir haben Nicolas Hebisch und Kofi Schulz empfohlen, sich nach einem neuen Verein umzusehen. Sie müssen spielen, um besser zu werden. Und ich gehe sehr davon aus, dass sie sich einen neuen Verein suchen werden.
In der kurzen Winterpause, die schon am 21. Januar mit dem Spiel in Wiesbaden endet, ist ein Trainingslager in der Türkei vorgesehen. Wann und wo genau geht es hin?
Vom 14. bis 21. Januar werden wir ein Trainingslager in Side abhalten. Dort werden wir unter anderem auf Holstein Kiel treffen, andere Anfragen – unter anderem aus Ingolstadt – werden derzeit noch bearbeitet. Wir hoffen, dass wir dann schon einen neuen Stürmer präsentieren können.
Anschließend trägt Ihre Mannschaft am 12. Januar um 14 Uhr ein Testspiel daheim gegen den momentanen Zweitliga-Vierten Energie Cottbus aus. Wie sieht es derzeit mit weiteren Vorbereitungsspielen in der Winterpause aus?
Vor dem Trainingslager werden wir drei Testspiele absolvieren – gegen den Berliner AK, Union II und Energie Cottbus.
Was wünschen Sie sich sportlich zu Weihnachten, Herr Benbennek?
Ich wünsche mir, dass wir uns an der Stelle weiterentwickeln, wo wir aufgehört haben. Und ich wünsche mir natürlich für unseren Verein mehr Ruhe und Stabilität. Wir brauchen diese Ruhe in allen Bereichen. Nur so kommen wir in sicheres Fahrwasser.
Wie darf man sich Heiligabend im Hause Benbennek vorstellen?
Ich werde mit meiner Frau und Tochter zu unseren Eltern in die Lüneburger Heide fahren. Die wohnen nur zehn Minuten entfernt und so werden wir viel Zeit miteinander verbringen. Den Jahreswechsel werden wir allerdings in Potsdam feiern.
Werden Sie in den kommenden freien Tagen völlig vom Fußball abschalten können oder kreisen die Gedanken doch immer wieder um Ihre Arbeit als Nulldrei-Coach und die derzeitige kritische Situation im Verein?
Ich habe meiner Frau versprochen, vom 24. bis zum 27. Dezember das Handy auszuschalten. Aber ich schaffs bestimmt nicht. Bei der derzeitigen Situation im Verein geht das nicht.
Das Gespräch führte Henner Mallwitz
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