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Landeshauptstadt: „Wir hatten Hungerschmerz“

Themenabend „gedenken und gestalten“ zur Bombennacht am 14. April 1945

Stand:

Themenabend „gedenken und gestalten“ zur Bombennacht am 14. April 1945 Christiane Dietzel war zwölf Jahre alt und wohnte „gleich neben dem Stadtschloss“. Brigitte Dorst war halb so alt. Als Sechsjährige erlebte sie den 14. April 1945 im Souterrain-Raum des Hauses Allee nach Sanssouci Nr. 8. Die eindrucksvollen Erlebnisberichte beider aus der Bombennacht bildeten am gestrigen Abend den Auftakt für den Themenabend „gedenken und gestalten“ der Evangelischen Studentengemeinde. Christiane Dietzel hat ihre Eindrücke vom 14. April aufgeschrieben in ihrem Buch „Wenn der Eisvogel ruft“. Sie las, die Bomben „detonierten wie über uns, vor uns, neben uns“ und „wir erwarteten in jedem Augenblick den sicheren Tod“. Druckwellen pressten sich „wie eine gewaltige Faust auf die Brust“, sie dachte damals: „Das also ist sterben müssen“. Brigitte Dorst hat in Erinnerung, dass im Garten an der Mauer zum St. Josefs-Krankenhaus eine Bombe einschlug und später „der Himmel brannte“. Beeindruckt hatte sie, dass der Großvater, der wusste, „diesmal wird es ernst“, vor dem Angriff vorsorglich die Fensterflügel abnahm, damit sie nicht zerstört werden. Superintendent Bertram Althausen schätzte anschließend die Zeitzeugenberichte hoch ein, sie ermöglichten „zu erfassen, was sich nicht in Zahlen ausdrücken lässt“. Die folgende Diskussion deutete die Komplexität der Aufarbeitung des Bombenkrieges an. Ein Gast erinnerte daran, wie „beschämend sich der sächsische Landtag damit auseinander gesetzt hat“. Ein Student sagte, die Dresdner hätten gedacht, „sie seien ein Juwel, uns kann nichts passieren“ und fragte, „war das auch in Potsdam so?“ Brigitte Dorst antwortete, „wir hatten gedacht, wegen der Nähe zum britischen Königshaus werde Potsdam nicht angegriffen“. Im weiteren Gespräch rieb sich Christiane Dietzel an dem Titel der gegenwärtigen Ausstellung im Potsdam-Museum „Kohldampf und Bombentrichter“. Kohldampf habe man nach dem Jogging. „Wir hatten Hungerschmerz“. Aus dem Publikum regten sich Stimmen, die den Begriff „Kohldampf“ verteidigten. Der Buchautorin zog eine Lehre aus ihrem Erfahren von Krieg: „60 Jahre Frieden, für mich ist jeder Tag noch ein Geschenk“. Sie fragte, was die Studenten über diese Zeit in der Schule gelernt haben. Eine Studentin sagte, „wir hatten einen Alt-68er als Lehrer, der hatte andere Schwerpunkte“, eine andere meinte, „ich kenne es vom Erzählen meiner Großmutter“. Superintendent Althausen knüpfte daran an und appellierte an alte Menschen, „den Jungen ihre Geschichten zu erzählen, auch die Schmerzhaften“. Buchautorin Dietzel rief in ihrem Schlusswort die Jugend zum Lesen auf. Unter großem Gelächter sagte sie: „Nur wer liest, wird “mal in eine höhere Gehaltsstufe kommen“ – und warf ein Freiexemplar von „Wenn der Eisvogel ruft“ ins junge Publikum. Guido Berg

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