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Sport: „Wir könnten mit zweifarbigen Bällen spielen“

Thomas Weikert ist seit Montag erster Deutscher Präsident des Internationalen Tischtennis-Verbands. Hier erklärt er, wie Tischtennis weltweit eine der besten fünf Sportarten werden kann

Stand:

Herr Weikert, werden deutsche Tischtennisspieler im endlosen Duell gegen die Übermacht China irgendetwas davon haben, dass seit Montag ein Deutscher Präsident des Weltverbands ist?

Ich führe als Erstes ein, dass Deutschland immer 1:0 führt (lacht). Tja, ich bin ja kein deutscher Präsident, sondern für alle da. Aber es ist wichtig, dass China sich weiter öffnet. Wenn immer nur China gewinnt, ist das für das Spiel nicht gut, für die Medien nicht und für China auch nicht. Das wissen die Chinesen selbst.

Tun die Chinesen aus Ihrer Sicht genug?

Ja, unsere chinesischen Freunde haben in Luxemburg eine Akademie aufgebaut und veranstalten dort Lehrgänge, nach Afrika schicken sie Trainer, und für uns ist es auch einfacher geworden, Trainingslager in China durchzuführen. Timo Boll und Dimitrij Ovtcharov spielen im Sommer regelmäßig in der Chinese Super League, wo sie mit den Besten trainieren können. Und es gibt bei einigen World-Tour-Turnieren gemischt-nationale Doppel zwischen Chinesen und Spielerinnen und Spielern anderer Nationen.

Was passiert eigentlich am Montag, Ihrem ersten Tag als ITTF-Präsident, wird da eine Mailadresse freigeschaltet, kommt ein Strauß Blumen an?

Da habe ich noch gar nicht drüber nachgedacht. Die Mailadresse tw@ittfmail.com wird dann sicher freigeschaltet. Ansonsten bin ich am Montag erst mal im Büro.

In Ihrer Anwaltskanzlei in Limburg?

Ja. Vielleicht rufen ein paar Leute an. Das erste Event, bei dem ich als Präsident vor Ort bin, wird ein Heimspiel sein, der World Cup der Herren vom 24. bis 26. Oktober in Düsseldorf.

Internationale Sportverbände hatten auch schon mal einen besseren Ruf. Jeder, der in einem internationalen Verband aufsteigt, muss sich derzeit Fragen anhören. Haben Sie auch Misstrauen zu spüren bekommen?

Bis jetzt überhaupt nicht. Man kennt natürlich gerade aus dem Fußball die Korruptionsvorwürfe. Aber übers Tischtennis habe ich noch nichts gehört. Ich habe mit meinem Vorgänger Adham Sharara vor einigen Wochen eine Übergabe gemacht. Dabei habe ich die Finanzen der ITTF so gut es geht durchleuchtet und keine Unregelmäßigkeiten erkannt.

Der bisherige ITTF-Präsident Sharara will ins Internationale Olympische Komitee aufrücken und außerdem den Vorsitz der Generalversammlung der Tischtennisverbände übernehmen. Befürchten Sie, neben ihm nur ein Schattenpräsident zu sein?

Nein. Wir haben Sharara die Aufgabe übertragen, seinen P5-Plan zu entwickeln. Der Plan ist, dass Tischtennis zu den besten fünf Sportarten gehört, was das Marketing, die Leistung und die internationale Entwicklung betrifft. Im Moment liegen wir beim IOC irgendwo zwischen Platz neun und vierzehn im guten Mittelfeld, bei der internationalen TV-Präsenz gehören wir schon zu den besten fünf. Sharara ist ein starker Präsident gewesen, er wird mit mir gut zusammenarbeiten.

Aber mit dem P5-Plan hat Sharara doch eine sehr strategische Aufgabe. Was bleibt da noch für Sie?

Mit der Umsetzung dieses Plans bin ich selbst schon sehr befasst. Es gab über 1000 Eingaben aus der ganzen Welt, was man im Tischtennis verbessern kann. Das kann sowieso keiner alleine bearbeiten.

Wo sehen Sie denn Ihre Rolle, wo bringen Sie sich am meisten ein?

Ein dickes Brett ist das Development, also Tischtennis in alle Ecken der Welt bringen. Dann werde ich mich um die Medien kümmern, im Bereich der Social Media haben wir einiges auf die Reihe gebracht, aber in den Printmedien kommen wir viel zu wenig vor und beim Fernsehen ist in einigen Ländern noch Luft nach oben. Auch die Inklusion ist ein wichtiges Thema. Wir haben zum Beispiel Ibrahim Hamato, einen Spieler ohne Arme, er hält den Schläger mit dem Mund und spielt fantastisch. Seine Geschichte können wir noch häufiger erzählen.

An welchen Bereich gehen Sie mit besonderer Leidenschaft?

Unter anderem an die Entwicklungsarbeit. Es bringt nichts, wenn in einem kleinen Land zwei gute Spieler rauskommen, dann gleich nach Schweden wechseln und die Weiterentwicklung im eigenen Land zum Erliegen kommt, unter anderem weil die Vorbilder fehlen. Da muss die Basis gestärkt werden.

Sie sehen sich also als Weltpräsident, der sich freuen würde, wenn von Südseeinseln Videos von Tischtennis spielenden Kindern auftauchen?

Ja, dann bin ich zufrieden. Aber ich will auch, dass insgesamt mehr Menschen Tischtennis spielen und dies als sportliches, aber auch verbindendes Element sehen. Wir haben jetzt angefangen, Jörgen Persson und Wang Liqin als Botschafter für unsere Sportart einzusetzen. Wir müssen Spitzenspielerinnen und Spitzenspieler während und nach der Karriere besser einbinden.

Sharara galt als Revolutionär, der das Spiel verändert hat. Ist bei den großen Regeländerungen jetzt alles ausgereizt?

Die letzte Revolution war 2001, als die größeren Bälle und die neue Zählweise bis elf Punkte beschlossen wurden. Wir haben also keine permanente Revolution. Aber wir testen gerade zweifarbige Bälle. Wie immer gibt es Leute, die sofort Panik bekommen und sagen: Oh Gott, zweifarbige Bälle, was gibt das denn?

Und was wollen Sie?

Ich habe selbst schon damit gespielt und war sehr angetan. Wir könnten Tischtennis künftig mit zweifarbigen Bällen spielen. Ob es für den Rückschläger leichter wird, den Schnitt des Aufschlägers zu erkennen, muss man sehen. Aber auf jeden Fall kann ich im Fernsehen mit der Superzeitlupe jedem Laien erklären, warum jetzt in dem Ball so viel Spin oder Schnitt drin ist. Ich habe noch weitere Überlegungen geäußert.

Welche denn?

Aufschläge nur von einer Seite, nur Rückhandaufschläge oder höhere Netze. Solche Maßnahmen sollen dazu führen, dass der Aufschlag weniger entscheidend ist, es weniger Fehler gibt, die für den Zuschauer vermeidbar wirken, dass mehr dieser sehenswerten langen Ballwechsel entstehen und unser Sport leichter verständlich wird. Damit das nicht gleich Proteststürme auslöst: Die Vorschläge müssen wir intensiv testen und können sie nur behutsam und mit Vorlauf umsetzen.

Weil Zelluloid, aus dem die Bälle bisher bestanden, in vielen Ländern wegen Explosionsgefahr verboten ist, wurden jetzt Bälle aus Plastik eingeführt. Die Bälle waren aber lange nicht verfügbar, es gab bei den Spielern viel Unsicherheit.

Zelluloid ist ja weiterhin im Tischtennis erlaubt, aber die ITTF hat schon die neuen Bälle eingeführt, und auch der Deutsche Tischtennis-Bund nutzt in den obersten Ligen und in den Einzelwettbewerben die Plastikbälle. Die Lieferprobleme mit den Bällen sind weitgehend gelöst. Ich weiß von Spielern, dass die Qualität der Bälle erst mal schwankend war. Aber die Qualität wird sich bis Ende des Jahres stabilisiert haben. Die breite Masse der Tischtennisspieler wird sich schnell daran gewöhnen. Ab dem neuen Jahr wird kein Hahn mehr danach krähen.

Sie haben früher Bundesliga gespielt. Sind Sie der beste Spieler im ITTF-Präsidium?

Ich fürchte nicht. Vizepräsident Shi Zhihao war mal Mannschaftsweltmeister. Das ist zwar schon mehr als 30 Jahre her, aber ich befürchte, dass er noch einen guten Ball schlägt. Wir haben es bisher nicht geschafft, gegeneinander zu spielen. Aber nächstes Jahr sind die Jugendweltmeisterschaften in Schanghai, und ich kann dann als Präsi meinen Vize bestimmt anweisen, ein paar Bälle mit mir zu spielen.

Das Gespräch führte Friedhard Teuffel.

Thomas Weikert, 52, wird Präsident des Internationalen Tischtennis-Verbandes (ITTF). Der Rechtsanwalt behält sein Präsidentenamt beim Deutschen Tischtennis-Bund, das er seit 2005 innehat.

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