ZUR PERSON: „Wir machen uns nicht schick für die SPD“
PDS-Fraktionschef Hans-Jürgen Scharfenberg über den Landtagsneubau – und die Option auf Rot-Rot
Stand:
Herr Scharfenberg, das Jahr 2006 geht ohne rot-rotes Bündnis für die Stadt Potsdam zu Ende. Die Schlosskoalition ist zwar am Landtagsneubau zerbrochen, doch Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) hat einer festen Zusammenarbeit mit Ihrer Fraktion eine Absage erteilt. Sind Sie enttäuscht?
Ich bin in keiner Weise enttäuscht. Ich habe nicht erwartet und würde es auch nicht für richtig halten, dass man nach vier Jahren Schlosskoalition auf dem Absatz kehrt macht und so tut, als ob SPD und PDS nun die Geschicke dieser Stadt bestimmen würden. Für Potsdam ist es angesichts der Konstellation in der Stadtverordnetenversammlung das beste, wenn es wechselnde Mehrheiten gibt. Hätte es die gegeben, wäre manche Sache anders ausgegangen.
Das klingt, als würde es Ihnen gut tun, dass sich ausgerechnet bei der Frage des Landtagsneubaus zeigt, dass es offenbar ohne die PDS doch nicht geht.
Das ist die ganze Zeit unsere Auffassung gewesen. Die stärkste Fraktion, die ein Drittel der Wähler an sich gebunden hat, kann man nicht beiseite stellen. Es ist versucht worden, aber nicht gelungen. Wir haben unseren Einfluss und unsere Ansprüche geltend gemacht. Der hohe Stellenwert, den mittlerweile die Neubaugebiete in der Stadtpolitik haben, ist auf unseren Druck zurückzuführen. Die anderen Fraktionen konnten daran nicht mehr vorbei, sie mussten sich dieser Aufgabe widmen. Der Wettlauf, der sich da ergeben hat, ist gut für diese Stadt.
Trotzdem ist der PDS von ganz links, von der Fraktion Die Andere, vorgeworfen worden, sie sei beim Thema Landtagsneubau umgekippt. Denn sie macht bei der Bürgerbefragung mit, obwohl sie als klarer Gegner eines Landtagsschlosses gilt.
Hier wird Ursache und Wirkung verkehrt. Wir haben die ganze Zeit eine Bürgerbefragung gefordert und es gab jetzt die Gelegenheit, die wir nicht mehr für möglich gehalten haben, diese Bürgerbefragung tatsächlich durchzusetzen. Das ist ein großer Erfolg. Mit den Vorwürfen, dass die Befragung unter Umständen verfassungswidrig sei, dass es nur eine Scheinbefragung sei, wird versucht, das Ergebnis zu beeinflussen. Das soll Schlossgegner von der Beteiligung abhalten. Außerdem wollte die Fraktion Die Andere ihre Stellung behalten. Sie bekämpft radikal das Schloss an sich – wir meinen, dass die Verbindung Landtag und Stadtschloss falsch ist.
Es heißt aber, die SPD hätte der PDS mit der Bürgerbefragung lediglich eine goldene Brücke gebaut – mit dem Gewinn, bei einer Mehrheit der Bürger für das Schlossareal als Bauort in der Stadtverordnetenversammlung auf die Stimmen der PDS zählen zu können.
Nachdem es in den zwei geheimen Abstimmungen keine Mehrheit für den Landtag auf dem Schlossgrundstück gab, wollten wir uns nicht an der Situation erfreuen. Sondern uns an dem Versuch beteiligen, das Problem zu lösen. Die einzige Möglichkeit, die blieb, war die Bürgerbefragung. Die SPD in der Stadt und auf Landesebene hat dazu nicht gesagt: Prima Einfall! Nein, die haben sich gesträubt. Wenn entgegen unserer Erwartungen eine Mehrheit sagt, es soll auf dem Schlossgrundriss gebaut werden, dann müssen wir das ernst nehmen.
Dann gehen Sie über die Brücke?
Wir werden das Ergebnis der Befragung als Grundlage unseres weiteren Vorgehens nehmen.
Nach den zwei Ablehnungen gab es rot-rote Spitzentreffen auf Landesebene und ein Interesse der PDS, der SPD entgegenzukommen – vielleicht, weil man sich Hoffnungen macht, als Koalitionspartner auf Landesebene in Frage zu kommen?
Die politische Situation im Land und in der Stadt ist Ausdruck dafür, dass man die PDS nicht ausblenden kann bei den Entscheidungsprozessen. Aber wir machen uns nicht schick für die SPD. Sondern wir sind bereit, uns einzubringen bei der Lösung des Problems. Mir ist es sehr wichtig, dass nicht die SPD eine goldene Brücke gebaut, sondern die PDS sich durchgesetzt hat mit der Forderung, ein wichtiges städtisches Vorhaben unter Einbeziehung der Bürgerschaft zu entscheiden.
Es gab aber auch von Ihrer eigenen Basis kritische Stimmen dazu, dass die PDS nun mitmacht.
Was macht denn die PDS mit? Die PDS hat deutlich gesagt, sie ist nicht dafür, dass der Landtag auf dem Schlossgrundstück gebaut wird. Wir sind doch nicht von Positionen abgerückt. Wir reihen uns nicht in die Schlosskoalition ein.
Geht man nach dem Konsenspapier aus dem Sommer, das der PDS-Kreisvorsitzende Pete Heuer und der SPD-Fraktionschef Mike Schubert erstellt haben, scheint die Potsdamer PDS der SPD aber ziemlich nahe zu stehen.
Man muss da in der Bewertung vorsichtig sein. Dass Gespräche geführt werden, ist immer richtig. Dieses Papier ist eine Widerspiegelung von Bedingungen, die gegeben sind – bei der Stadtmitte, beim Freizeitbad. Das ist nichts, was ich in Frage stellen würde. Die Interpretation des Ganzen ist allerdings weit darüber hinaus gegangen.
Wird der Bruch der Schlosskoalition von Dauer sein – oder wird sie sich wieder zusammenfinden, wenn es ein Ja zum Landtagsschloss gibt?
Ich gehe davon aus, dass der Oberbürgermeister lernfähig ist. Und wenn er Schlussfolgerungen aus den vergangenen Jahren zieht, kann er nicht daran interessiert sein, den bisherigen Zustand zu konservieren. Dass es mit der Schlosskoalition nicht funktioniert hat, ist ja auch kein Wunder: Er musste versuchen, vier oder fünf Fraktionen unter einen Hut zu bringen und jedem mal ein kleines Geschenk zu geben
Will die PDS denn gar keine Geschenke?
Nein, wir brauchen keine Geschenke. Ich bitte Sie.
Das Jahr 2007 könnte zum Jahr der Entscheidungen werden für Oberbürgermeister Jakobs. Sollte der Bau des Landtagsschlosses scheitern und es keine Fördergelder für das Niemeyer-Bad geben – sollte er dann zurücktreten?
Die entscheidende Frage ist, ob ein Oberbürgermeister in der Lage ist, seine besondere Verantwortung als Stadtoberhaupt wahrzunehmen. Das haben die Bürger dieser Stadt zu bewerten. Es ist nicht unserer vorrangiges Anliegen zu überlegen, wie der Oberbürgermeister geschwächt werden kann.
Ihr Verhältnis gilt aber nicht als das beste. Sitzt Ihre 122-Stimmen-Niederlage gegen Jakobs bei der Oberbürgermeister-Wahl doch tief?
Ich habe das Ergebnis akzeptiert. Er ist der gewählte Oberbürgermeister.
Was hätten Sie in den vergangenen vier Jahren anders gemacht, wären Sie Oberbürgermeister?
Die Punkte liegen auf der Hand: Wir hätten versucht, das Freizeitbad in Drewitz erfolgreich zu Ende zu bringen. Ich bin überzeugt davon, wenn man das mit dem Einsatz getan hätte, den die Stadt für das Niemeyer-Bad gezeigt hat, hätten wir das Problem mit der Brache in Drewitz nicht mehr. Zum Freizeitbad am Brauhausberg haben wir dann klar gefordert, die Kosten auf 30 Millionen Euro zu deckeln. Auf vielen Umwegen sind wir jetzt dort angekommen – die hätte man sich sparen können. Was die Potsdamer Mitte angeht, hätten wir nicht die Zielstellung aufgemacht, das Stadtschloss aufzubauen.
Sondern?
Ich hätte den Schwerpunkt darauf gelegt, dass die vorhandenen Gebäude – Altes Rathaus, Bibliothek, Fachhochschule – saniert werden. Ich will aber noch ein Stichwort nennen: Potsdam ist im Landesmaßstab gesehen eine reiche Stadt. Das hängt mit der sehr guten Bevölkerungszusammensetzung zusammen. Unter dieser Voraussetzungen halte ich es für wichtig, dass Fragen des sozialen Ausgleichs einen hohen Stellenwert haben. Dazu gehört die Kinder- und Jugendarbeit. Für mich ist es bedauerlich, dass wir so darum kämpfen müssen, dass da keine Abstriche gemacht werden. Das kann und muss sich diese Stadt leisten.
Mit welchem Ziel schauen Sie auf das Kommunalwahl-Jahr 2008?
Unser Ziel ist, wieder stärkste Fraktion zu werden. Wir bereiten uns darauf vor, indem wir 2007 ein Mentoring-Programm machen, bei dem junge Leute, die sich dafür interessieren, bei den Kommunalwahlen zu kandidieren, erleben können, wie die Arbeit eines Stadtverordneten unmittelbar aussieht. Wir wollen außerdem unseren engen Bürgerkontakt voll zur Geltung bringen. Wir sind die Fraktion, die sich nach jeder Stadtverordnetenversammlung seit 1993 öffentlich zur Diskussion stellt. Das wollen wir verstärken. Und wir wollen 2007 Grundsätze der Stadtentwicklung erarbeiten, die die Vorbereitung für unser Wahlprogramm 2008 sein werden.
Würden Sie noch einmal als Oberbürgermeister-Kandidat antreten?
Das steht ja jetzt nicht an. Würde die Wahlperiode regulär zu Ende geführt, wäre die Wahl erst 2010. Davor sind 2008 Kommunalwahlen und 2009 Landtagswahlen. Aber ich würde heute nicht Nein sagen.
Das Interview führte S. Schicketanz
Hans-Jürgen Scharfenberg ist Fraktionschef der Linkspartei.PDS in der Potsdamer Stadtverordnetenversammlung. Mit 18 Mandaten stellt die PDS die größte Fraktion. Der 52-Jährige gebürtige Annaberger ist außerdem Landtagsabgeordneter. Von 1974 bis 1978 studierter er an der Akademie für Staats- und Rechtswissenschaften in Babelsberg, arbeitete später am Lehrstuhl kapitalistischer Staaten und promovierte 1982. Stadtverordneter ist Scharfenberg seit 1990. Im Jahr 2002 verlor er die Oberbürgermeister-Wahl gegen Jann Jakobs – der hatte 122 Stimmen mehr. Scharfenberg ist verheiratet, Vater von drei Kinder und wohnt Am Stern. SCH
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