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Landeshauptstadt: „Wir müssen uns für die Höhe der Mieten nicht entschuldigen“ Die Pro-Potsdam-Geschäftsführer Horst Müller-Zinsius und Jörn-Michael Westphal über Wohnungsverkäufe, Mieten und acht neue Wohnungen in 201

Spielen Sie gerne Monopoly?Horst Müller-Zinsius: Mit meinen Kindern habe ich das früher gespielt, sonst eigentlich nicht.

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Spielen Sie gerne Monopoly?

Horst Müller-Zinsius: Mit meinen Kindern habe ich das früher gespielt, sonst eigentlich nicht.

Jörn-Michael Westphal: Nein.

Das Spiel erinnert ein wenig an das Geschäft der Pro Potsdam. Häuser kaufen, verkaufen und Miete einnehmen.

Müller-Zinsius: Wir kaufen und verkaufen weniger, wir sind eine Bestandsgesellschaft. Das unterscheidet uns auch von anderen Anbietern. Aber wenn Sie Monopoly sagen, hat das so einen süffisanten Beigeschmack. Wir sind keine Spieler, sondern machen etwas ganz Solides. Momentan haben wir 16 400 Wohnungen im Bestand, mit Garagen und Gewerbe verwalten wir rund 20 000 Mieteinheiten in der Stadt. Aber ankaufen und verkaufen ist nicht unser Kerngeschäft, nur eine Begleiterscheinung.

Sie geben das Stichwort Kerngeschäft. Potsdams Baubeigeordneter Matthias Klipp hat kürzlich in einem PNN-Interview gesagt, Sie sollen keine Bank-Filialen bauen, „sondern sich auf Ihr Kerngeschäft konzentrieren, den Neubau von preiswertem Wohnraum“.

Müller-Zinsius: Das wollen wir ja auch gerne tun. Deshalb haben wir unlängst auf den Kauf und den Umbau einer Kaufhalle im Schlaatz verzichtet, obwohl gerade das ein Wunsch von Herrn Klipp war. Aber hinter dem Stichwort Bankfiliale verbirgt sich unser ehemaliges Haus des Reisens. Monopoly hin, Kerngeschäft her: Wir haben die an dieser Stelle städtebaulich unmögliche, hohe Platte vor Jahren zur Haushaltssanierung von unserer Gesellschafterin, der Stadt Potsdam mit der erklärten Absicht gekauft, die Gebäudehöhe an die Umgebung anzupassen. Das wollen wir jetzt auch tun, haben abgerissen und besitzen eine Baugenehmigung für einen fünfgeschossigen Neubau. Wenn wir das Erdgeschoss, da kann man nicht wohnen, und vielleicht den ersten Stock an eine Bank oder meinetwegen an eine Fastfood-Kette vermieten, ist das sicher keine Abkehr vom Kerngeschäft und vom Ziel Wohnungsneubau. Das kann in den drei oder vier Obergeschossen darüber stattfinden. Die Wohnungen sind in dieser Lage auch ihren Preis wert.

Preiswerter Wohnraum wird das nicht.

Müller-Zinsius: An dieser Ecke nicht. Dafür sind unsere Vorlaufkosten zu hoch. Dem Ruf nach dem originalen Unger als nicht beschlossenem Leitbau könnten wir nur folgen, wenn unsere Gesellschafterin uns das ausdrücklich genehmigen würde, denn ein solcher Bau würde das Projekt endgültig in die roten Zahlen treiben. Aber wir verkaufen das Grundstück gerne, solange wir noch nicht mit dem Bau begonnen haben.

Ihre Mietpreise für Neubauwohnungen liegen jenseits von acht Euro pro Quadratmeter Kaltmiete. Warum ist es nicht möglich, dass die Wohnung auch ohne Verlust für den Investor am Ende für 6,50 Euro pro Quadratmeter vermietet werden kann?

Müller-Zinsius: Es gibt keinen, der das kann. Nennen Sie uns einen und wir machen es nach.

Aber warum geht es nicht?

Müller-Zinsius: Grundstückspreis, Baukosten, Baunebenkosten, Planungen und alles weitere bestimmen die Investitionssumme. Dazu kommt: Wenn sie das Geld nicht bar haben, holen sie es sich von der Bank. Das kostet Zinsen, zum Glück sind die derzeit niedrig. Aus der abschließenden Wirtschaftlichkeitsberechnung ergibt sich dann, wie hoch die Miete sein muss. Und das sind mehr als acht Euro bei den heutigen Investitionen.

Westphal: Neubau ist schon immer sehr teuer, doch früher haben sie das durch die Wohnungsbauförderung nicht mitbekommen. Jetzt spüren wir deren Auswirkungen. In Berlin hat das dazu geführt, dass ein hoher Anteil der Schulden aus der Wohnungsbauförderung stammt. Es wurden bis vor zehn Jahren Häuser gebaut, die mit einem Preis von 30 Mark pro Quadratmeter hätten vermietet werden müssen, um kostendeckend zu wirtschaften. Das Land hat die Wohnungen aber mit 22 Mark pro Monat subventioniert, so dass die Miete acht Mark gekostet hat. Diese Förderung gibt es nicht mehr. Wenn wir bauen, müssen wir die realen Preise aufrufen. Den preiswerten Wohnraum wird es daher ohne Fördermittel allein im Bestand geben.

Von dem haben Sie in den letzten Jahren viele unsanierte und somit preiswerte Wohnungen verkauft, sogar ganze Plattenbaublöcke wie den D-Zug am Stern und aktuell 200 Wohnungen in der Waldstadt.

Westphal: Das geschah im Rahmen des Altschuldenhilfegesetzes. Wir hatten vor zwölf Jahren die Auflage bekommen, 15 Prozent unseres Wohnungsbestandes zu veräußern. Dann ist es im Rahmen unseres Portfoliomanagements üblich, dass geschaut wird, welche Häuser nicht zum Kernbestand gehören. In Abstimmung mit der Stadt wird dann der Verkauf vorbereitet. Grundsätzlich sollen wir in Potsdam aber dafür sorgen, dass die Wohngebiete entwickelt werden.

Wird es weitere große Verkäufe geben?

Müller-Zinsius: Derzeit werden die letzten Wohnungen im Zuge des Altschuldenhilfegesetzes verkauft. Wenn in Zukunft noch etwas auf den Markt kommt, dann sind das kleinere Häuser oder Altbauten, die uns nach entschiedenen Restitutionsverfahren zufallen. 20 Jahre nach der Wende verwalten wir noch immer 462 Wohnungen, deren Eigentumsverhältnisse nach dem Ende der DDR ungeklärt sind. Für die Immobilien ist in aller Regel nach dem langen Leerstand eine Sanierung und Vermietung für uns wirtschaftlich nicht darstellbar. Deshalb werden diese Objekte auch in Zukunft verkauft.

Potsdam boomt, auch neue Wohnungen werden gebraucht. Welche Möglichkeiten hat Ihre städtische Gesellschaft, in den kommenden Jahren Wohnungen zu bauen?

Müller-Zinsius: Da gibt es Vereinbarungen mit der Stadt. Wir werden innerhalb der nächsten zehn Jahre rund 1000 Wohneinheiten neu bauen.

Das ist die Anzahl, die es laut einer Statistik jedes Jahr in der Stadt geben müsste, um den Bedarf zu decken.

Müller-Zinsius: Vor diesem Hintergrund klingt das relativ wenig für jene, die sich nicht jeden Tag damit befassen.

Warum nicht mehr?

Müller-Zinsius: Machen wir es konkret. Angenommen, eine Durchschnittswohnung hat 60 Quadratmeter. Dann haben wir bei 1000 Wohnungen 60 000 Quadratmeter zu bauen. Dann wird der Quadratmeter zirka 2000 Euro kosten, was nichts anderes heißt als ein Investitionsvolumen von 120 Millionen Euro allein für unsere Gesellschaft. Damit sind wir wirtschaftlich an der Grenze, die wir nicht überschreiten sollten, damit auch für die anderen Aufgaben noch Geld vorhanden ist.

Westphal: Bei dem geschätzten Bedarf von 10 000 Wohnungen in den nächsten Jahren werden in Potsdam 1,2 Milliarden Euro investiert. Das kann keine Gesellschaft alleine schaffen.

Müller-Zinsius: Das ist eine Dimension, die man sich bei den Diskussionen der Stadtverordneten vielleicht nicht deutlich macht.

Wo sind die Potenzialflächen für den Wohnungsbau?

Müller-Zinsius: Wir haben alleine im Bornstedter Feld noch Kapazitäten für 3000 neue Wohnungen.

Andererseits liegen Flächen wie das Tramdepot seit Jahren brach, ist der Bedarf doch nicht so groß?

Müller-Zinsius: Doch, wir sind schon lange im Gespräch mit der Stadt, dass unsere längst abgeschlossene Vorplanung in einem Bebauungsplan mündet. Von den 1000 Wohnungen die wir planen, sollen 470 in der Heinrich- Mann-Allee entstehen. Wenn wir nun hören, dass diese Stelle durch Flugzeuganflüge und einen Hubschrauberlandeplatz eingeschränkt werden könnte, ist das eine Facette, die uns auch überrascht.

Es gibt weitere Flächen, die auf eine Entwicklung warten.

Müller-Zinsius: Die Speicherstadt.

Da haben Sie Flächen an die Groth- Gruppe und ATU-Gründer Peter Unger verkauft.

Müller-Zinsius: In einem ersten Schritt haben wir den Mittelteil verkauft, etwa 230 Wohnungen könnten dort entstehen. Für den Rest hoffen wir auf die Stadt und die Stadtverordneten, denn auch dort muss noch ein Bebauungsplan aufgestellt werden. Gemeinsam mit den Stadtwerken, denen die Grundstücke am Brauhausberg gehören, denken wir an eine Gesamtentwicklung des Areals. Die wirtschaftliche Belastung der Pro Potsdam mit der Speicherstadt ist enorm, es bindet unglaublich viel Kapital. Das Geld brauchen wir für Wohnungsneubau.

Ist Krampnitz auch Potenzialfläche?

Müller-Zinsius: Wir haben dort keine Grundstücke. Die sie haben, werden wissen, was sie damit tun.

Die Stadtverordneten haben beschlossen, vorbereitende Untersuchungen einzuleiten und Entwicklungspotenziale auszuloten.

Müller-Zinsius: Danach wird sich der Nebel lichten. Dann können die Rahmenbedingungen und Möglichkeiten für eine Entwicklung abgesteckt werden. Am Ende wird der Markt entscheiden, an welcher Stelle bevorzugt Grundstücke beziehungsweise Wohnungen gekauft werden. Da wird viel von den Preisen abhängen.

Das ist auf dem Mietmarkt ähnlich, Preis und Lage sind entscheidend. Vermieten Sie Ihre Wohnungen zu teuer?

Müller-Zinsius: Wenn wir die aktuellen Mietangebote vergleichen, dann brauchen wir uns nicht zu verstecken. Klar ist: Die Genossenschaften haben ein anderes Modell. Aber im Vergleich zu den privaten Vermietern müssen wir uns für unsere Miethöhe nicht entschuldigen.

Und dennoch sind Sie immer wieder im Gespräch. Der Vorwurf lautet gelegentlich, die Mieten sind zu hoch.

Müller-Zinsius: Es ist immer ein schönes Thema, wenn sich eine relativ kleine Gruppe ein Feindbild zusammenschnitzt. Dagegen kommen wir nicht an. Allerdings sind wir in der Lage, zu jedem Thema jenseits des Populismus Rede und Antwort zu stehen.

Das Thema heißt hohe Mieten.

Müller-Zinsius: Um den Vorwurf zu relativieren: Von den 16 400 Wohnungen haben 30 Prozent eine Miete von maximal fünf Euro kalt pro Quadratmeter. 50 Prozent der Wohnung liegen zwischen fünf und sechs Euro, 15 Prozent zwischen sechs und sieben Euro und nur fünf Prozent oberhalb von sieben Euro. Da kann man nicht sagen, dass der kommunale Vermieter der Mietentreiber ist.

Im Bornstedter Feld kosten Ihre Wohnungen teilweise über neun Euro pro Quadratmeter.

Müller-Zinsius: Es ist ja nicht zu bestreiten, dass wir auch Mieter haben, die mehr als neun Euro pro Quadratmeter bezahlen. Aber man muss sich eben der Mühe unterziehen, vom Allgemeinen auf das Besondere zu schließen und nicht umgekehrt. Wie gesagt, nur etwa 900 Wohnungen von 16 400 sind in diesem Preisbereich. Wir sind aber ein bisschen beleidigt, dass uns permanent unlautere Motive unterstellt werden. Ich sage immer, wir sitzen nicht den ganzen Tag im Büro und überlegen, wie wir das Rathaus oder unsere Mieter ärgern können. Im Gegenteil, stressfrei wäre mir das auch lieber.

Vor einigen Monaten ist entschieden worden, Sie müssen Teile Ihres Gewinns nicht an die Stadt abführen. Was wird mit dem Geld gemacht?

Westphal: Wir werden den überwiegenden Teil in den Neubau investieren und den anderen Teil im Programm „Flexible Bindung“ einsetzen. Das heißt, wir werden in Abstimmung mit der Stadt auch Wohnungen, die oberhalb von 5,50 Euro Mietpreis pro Quadratmeter liegen, preiswerter anbieten.

Sie subventionieren mit ihrem Gewinn aus der Vermietung die eigenen Mieten?

Westphal: Das ist eine freiwillige Mietpreisbindung, die wir in Abstimmung mit der Stadt vornehmen. Dafür müssen wir nicht die zwei Millionen Euro im Jahr an den Stadthaushalt abführen. Es gibt noch weitere Instrumente, die ab dem 1. Januar 2011 greifen. Dazu gehört der Familienbonus. Wir senken bei der Vermietung von Wohnungen den Mietpreis zwei Jahre lang um 50 Euro je Kind unter 18 Jahren, weil wir sehen, dass bei uns viele Alleinerziehende mit Kindern einziehen und daher die Mietbelastung sehr hoch ist. Zweiter Punkt ist, wenn ein älteres Ehepaar aus einer großen in eine kleinere Wohnung ziehen will, haben sie oft wegen der besseren Ausstattung oder gemäß Mietspiegel eine höhere Miete pro Quadratmeter. Das hat dazu geführt, dass ältere Leute zum Teil nicht in kleinere Wohnungen umgezogen sind, obwohl sie ein oder zwei Zimmer der Wohnung nicht brauchen. Da machen wir nun das Angebot, dass wir die Wohnungen für solche Mieter zehn Prozent unter dem Preis im Mietspiegel vermieten. Das soll ein Anreiz schaffen, in kleinere Wohnungen zu ziehen und die größeren wieder für Familien frei zu machen.

Müller-Zinsius: Und jedes Zimmer, das man im Bestand frei machen kann, muss an anderer Stelle nicht neu gebaut werden. Wenn es gelänge, dadurch eine Bewegung zu erzeugen, könnte dies zu einer Entspannung im Wohnungsmarkt beitragen. Es ist ein kleiner Beitrag, aber immerhin.

Was haben Sie noch 2011 vor?

Müller-Zinsius: In diesem und nächsten Jahr liegt der Schwerpunkt bei der Planung von Neubauvorhaben und der Sanierung in Drewitz. Fertig werden in diesem Jahr acht Wohnungen, Baubeginn wird für 50 sein.

Westphal: In Drewitz werden wir den ersten Block in 2012 und 2013 für 16 Millionen Euro sanieren. Das sind 200 Wohnungen, an die auch Aufzüge angebaut werden.

Kommen wir zurück zu den Kerngeschäften. Ist der Betrieb der Biosphäre ein Kerngeschäft der Pro Potsdam?

Müller-Zinsius: Das gehört nicht dazu.

Und der Neubau von Schulen?

Müller-Zinsius: Das gehört durchaus zu den Aufgaben, die eine kommunale Gesellschaft lösen kann. Kitas und Schulen bauen wir im Übrigen nur als Entwicklungsträger im Bornstedter Feld

Wo wird die neue weiterführende Schule denn nun gebaut und wann ist sie fertig?

Müller-Zinsius: Der Bauplatz hängt von der Größe der Schule ab. Wenn man von einer Gesamtschule mit fünf Zügen in der Sekundarstufe eins ausgeht und mehr als drei in der Sekundarstufe zwei, dann ist die Grundstückskapazität am Standort Pappelallee überreizt. Dann müssen wir die Schule an einem anderen Ort bauen. Die eigentliche Grenze wird aber bei den Investitionskosten liegen. Das ist alles noch nicht so weit ermittelt, dass man eine fundierte Aussage machen kann. Da müssen wir der Stadt noch Zuarbeiten leisten. Die Fertigstellung wird vor 2016 kaum möglich sein.

Bis 2016 soll das Entwicklungsgebiet nach bisherigen Planungen abgeschlossen sein.

Müller-Zinsius: Wir waren als Entwicklungsträger Bornstedter Feld erfolgreich bei der Erschließung und den Grundstücksverkäufen, aber wenn jetzt noch Bebauungspläne aufgestellt werden müssen, dann wird das kaum bis 2016 bebaut sein. Die Stadt wird also zu entscheiden haben, ob sie den Entwicklungszeitraum verlängert oder ob sie die weiteren Maßnahmen in Eigenregie durchführen will. Der Standort selbst ist ideal: Wir haben Kitas und Grundschulen, bald eine weiterführende Schule, eine Hochschule, die Biosphäre für den Winter und den Volkspark mit viel Programm für den Sommer. Und bald noch ein Schwimmbad. Was will man mehr?

Das Interview führte Jan Brunzlow

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