Landeshauptstadt: „Wir sind größtenteils Wohnstandort“
Potsdam-Mittelmarks Wirtschaftsförderer Martin Rätz über Wachstumspotenziale und das Verhältnis zu Potsdam und Berlin
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Bei der Zahl der Auspendler liegt Potsdam-Mittelmark laut des Statistischen Jahrbuchs landesweit an erster Stelle. Von insgesamt 46 600 Auspendlern fahren allein knapp 14 000 nach Potsdam zur Arbeit. Ist der Landkreis ein reiner Wohnstandort?
Ja, wir sind größtenteils ein Wohnstandort. Das ist einfach ein Fakt. Aber wir sehen das auch positiv. Die Lebensqualität im Landkreis ist sehr gut. Neben den dafür wichtigen Eigenschaften wie etwa Natur, Wohnumfeld oder sozialen Einrichtungen verfügt der Landkreis über eine gute Infrastruktur. Die Autobahnanbindung ist im Vergleich zu anderen Landkreisen Deutschlands recht gut. Ebenso die Bahnanbindung und der Öffentliche Nahverkehr. Dies wissen auch die Hauptstädter zu schätzen. Als Wirtschaftsförderer wünschen wir uns natürlich weitere Unternehmensansiedlungen, damit mehr Einwohner auch an ihrem Wohnstandort eine Arbeit finden können. Manchmal ist dies auch nur ein frommer Wunsch.
Die Wirtschaftsprüfer von Pricewaterhouse Coopers geben für die Entwicklung der Erwerbstätigenzahl im Kreis von 1994 bis 2007 ein Minus von 24 Prozent an. Wie kam es zu diesem Einbruch?
Der Landkreis hat erhebliche strukturelle Wandlungen besonders in den 90er Jahren durchlebt. Die Arbeitsplätze in Land- und Forstwirtschaft fielen in Größenordnungen weg, obwohl im Landkreis zurzeit immer noch viele Beschäftigte in der Landwirtschaft tätig sind. Etwa im Obst- und Spargelanbau. Inzwischen haben sich aber auch weitere wirtschaftliche Schwerpunkte im Landkreis gebildet. Außerdem hat sich in der Krise gezeigt, dass die kleinteilige Wirtschaftsstruktur auch seine Vorteile hat.
Laut PwC wird sich die Zahl bis 2020 nochmals um 3,6 Prozent verringern. Teilen Sie diese Einschätzung?
Da bin ich eher anderer Auffassung. Auch Potsdam-Mittelmark wird vom BBI profitieren. Die Zukunftsagentur hat einmal aufgezeigt, wie weit man in einer Stunde vom BBI mit dem Auto kommt. Der Landkreis ist fast überall in maximal einer Stunde vom BBI erreichbar. Außerdem haben auch die Hauptstädte eine Strahlkraft in die Region hinein.
Warum ist es offenbar so schwer, ausreichend viele Arbeitsplätze im Landkreis zu schaffen?
Dies hängt mit der kleinteiligen Wirtschaftsstruktur zusammen, die aber, wie gesagt, auch ihre Vorteile hat. Es gibt im Übrigen bereits schon viele unbesetzte Stellen. Der Fachkräftebedarf bereitet uns jetzt schon Sorgen. Die Arbeitslosigkeit ist mit 7,8 Prozent die niedrigste im Land Brandenburg, wobei es auch hier regionale Unterschiede im Kreis gibt – Potsdam-Mittelmark ist zweigeteilt.
Auf welche Branchen setzen Sie für die Zukunft ganz besonders?
Unsere Innovationskompetenzstudie hat ergeben, dass sich die Branchen Gesundheitswirtschaft, Tourismus, Medizintechnik und Biomaterialien als zukunftsträchtige Branchen herauskristallisieren. Daneben würde ich selbst noch die Informations- und Kommunikationstechnik sowie das Thema erneuerbare Energien sehen. Neben dem Tourismus sehe ich beim Thema Energie ebenfalls Zukunftspotenzial für die ländlich geprägten Regionen.
Das Gespräch führte Matthias Matern
Martin Rätz (35) ist Diplombetriebswirt und seit 2006 Wirtschaftsförderer und Breitbandbeauftragter beim Landkreis Potsdam-Mittelmark. Studiert hat er in Mosbach bei Heidelberg.
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