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Landeshauptstadt: „Wir sind keine Raubritter“

Ordnungsamts-Leiterin Marina Kluge über faule Autofahrer, preußische Tugenden und 1,5 Millionen Euro als Nebeneffekt

Stand:

Frau Kluge, wie ordentlich sind die Potsdamer?

Das kommt auf die Betrachtungsweise an. Gehweg fegen und Straßen sauber halten ist vor allem im ländlichen Raum noch eine Tradition. Sonnabends muss gefegt werden vor dem Haus, wie es immer gemacht wurde. Wenn man dann in die neueren Gebiete geht, die Eigenheimsiedlungen, die erst vor kurzem entstanden sind, da ist das bei den jungen Leuten noch nicht ganz so verinnerlicht. So unterscheidet sich das von Straße zu Straße und von Haus zu Haus.

Oberbürgermeister Jann Jakobs hat zuletzt beklagt, dass die Stadt vor allem am Wochenende dreckig ist.

Das ist ein subjektives Empfinden. Da kann die Straße noch so sauber sein, wenn einer am Sonnabendabend auf unserem Broadway auszieht und die Möbel rausstellt, sieht das einfach nicht gut aus. Und jeder sagt, eh ist das dreckig. Es ist aber nicht dreckig, es steht Sperrmüll da. Aber der Haufen mutiert. Es steht später oft ganz anderem Müll als in der Ausgangslage da. Es wird was weggenommen, etwas dazugelegt und wenn das eine Woche liegt, dann sieht es wirklich schlimm aus.

Ein anderes Problem sind die Papierkörbe in der Innenstadt.

Die Innenstadt ist stark frequentiert, ob Sommer oder Winter. Und unsere Papierkörbe laufen dann über, obwohl sie hier mindestens sechs Mal wöchentlich gereinigt werden. Das hängt auch ein bisschen mit städteplanerischen Aspekten zusammen. In der Brandenburger Straße haben wir schon die großen Müllbehälter, die sind, außer bei Großveranstaltungen, ausreichend. Aber wenn man durch die Seitenstraßen geht, gerade in der Hegelallee, fällt es immer wieder auf. Da sind die kleinen Papierkörbe, in ein Beutelchen reinhängt wird und die dann überlaufen. Wir arbeiten derzeit an einer Konzeption, damit saisonal abhängig an Schwerpunkten auch am Wochenende ausgeleert wird. Ich muss aber sagen, man schmeißt den Müll nicht irgendwo hin. Das hat mit preußischer Ordnung überhaupt nichts zu tun. Jeder möchte sich wohlfühlen, ob Einwohner oder Gast. Also müssen alle mit dazu beitragen.

Eine Tugend ist Pünktlichkeit. Es heißt immer wieder, die Potsdamer sind säumige Zahler bei Bußgeldern.

Mit der Einzahlquote liegen wir im Bundesdurchschnitt. Was mir in Potsdam auffällt ist allerdings eine Grundtendenz zur Nichteinhaltung von Ordnungsregularien. Diese tragen dazu bei, dass das Gemeinschaftsleben überhaupt erst möglich ist. Wenn sich keiner daran hält, dann ist es chaotisch und schmutzig. Wenn sich jeder ein bisschen bemüht, wächst für alle die Lebensqualität. Zum Beispiel beim Parken im Kreuzungsbereich. Warum muss ich da stehen. Nur weil ich zu faul bin mal drei Schritte zu laufen. Und wenn ein Rettungsdienst kommt? Der kommt dann nicht durch oder wird behindert, benötigt mehr Zeit. Wenn ich selbst betroffen bin, denke ich darüber ganz anders. In der Innenstadt wird übrigens permanent gegen die Parkraumordnung verstoßen und das obwohl in unseren Parkhäusern genug Plätze zur Verfügung stehen. Paradox ist dabei: Jeder will dort stehen, wo er auch hin muss. Aber er erwartet gleichzeitig, dass alle anderen sich ordentlich verhalten. Nach dem Motto wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass. Das finde ich unmöglich.

Potsdam gilt als Knöllchenhochburg. Wird so viel kontrolliert oder wird so viel falsch geparkt?

Zu viel wird nicht kontrolliert, denn dann müsste ich ja einen ganz starken Außendienst haben. Wir haben leider nur 25 Inspektoren für ganz Potsdam. Wenn zum Beispiel ein Kollege nach Groß Glienicke muss, ist der Tag schnell vorbei. Also ist das, was für den Stadtkern übrig bleibt, wenig. Aber jeder der bestraft wird sagt, wir sind Raubritter. Sind wir nicht. Wir haben Einnahmen von zirka 1,5 Millionen Euro für alles, dazu gehören auch Geschwindigkeitskontrollen und Parkverstöße. Das ist nicht wirklich viel. In der Potsdamer Innenstadt kann man hinschauen wo man will; entweder haben die Fahrer die Parkgebühr nicht bezahlt oder stehen im Kreuzungsbereich. Das ist so ein Anspruchsdenken. Weil ich ein Auto habe, muss man mir auch einen Parkplatz zur Verfügung stellen. So ist es aber nicht. Gleichzeitig möchte ich aber, dass dort wo ich wohne, kein zusätzlicher Verkehr außer dem der Anwohner entsteht und ’rasen’ sollen sie sowieso nicht. Nur wenn ich fahre, dann muss es zügig gehen. So ist die Ansicht vieler Verkehrsteilnehmer in unserer Gesellschaft. Wir gehen nicht umher um Knöllchen zu machen. Die Erzielung von Einnahmen ist ein positiver Nebeneffekt.

Was wollen Sie denn dann?

Unser eigentlicher Ansatz ist präventiv tätig zu werden. Deswegen haben wir eine Dienstkleidung. Optisch sichtbar gemacht wollen wir die Leute darauf aufmerksam machen, hier bin ich, denk nochmal über dein Verhalten nach, stell dein Fahrzeug richtig ab, nimm den Hund an die Leine. Es fährt auch jeder langsamer, wenn er ein Polizeiauto hinter sich sieht. Wir wollen das Bedürfnis fördern beziehungsweise erwecken, Rechtsvorschriften einzuhalten.

Wenn alle ordentlich parken, würden sie keine Umsätze mehr machen.

Schön, dann können wir uns auf andere Dinge konzentrieren. Ein paar mehr Tiere ins Pfötchenhotel fahren oder ähnliches. Wir haben da noch mehrere Dinge, um die wir uns gern kümmern würden.

Dem Stadthaushalt würde es aber wehtun.

Aber dafür hätten wir ein Stück mehr Lebensgefühl. Ich fühle mich in der Lebensqualität beeinträchtigt, wenn ich im Straßencafé sitze und vor mir einer mit seinem Fahrzeug rumrangiert, weil er eingeparkt wurde. Ich würde es schön finden, wenn sich alle an die Vorschriften halten, denn dann könnte jeder die Stadt ein bisschen besser erleben.

Komisch ist, wenn jemand keinen Parkzettel kauft, kostet das fünf Euro Strafe. Wenn er bezahlt und der Zettel ist abgelaufen, kostet es 15 Euro. Warum?

Da müssen Sie den Bundesgesetzgeber fragen, was er sich in seinem tieferen Inneren dabei gedacht hat. Wenn einer gar nichts macht kommt er billiger davon als wenn einer etwas macht, aber falsch. Der gesunde Menschenverstand sagt an der Stelle, dann lieber keinen Parkschein – und genau danach handeln Einige, sie bezahlen keine Parkgebühr. Sie hoffen auf den Glücksfaktor nicht erwischt zu werden.

Es fragte Jan Brunzlow

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