ZUR PERSON: „Wir sind nicht zufrieden“
Nach mehr als 100 Tagen als Waschhaus-Chef: Wilfried Peinke über die Probleme des Hauses „Als habe die Szene eine Verabredung getroffen: Da geht man nicht hin.“ „Wir werden auch das Waschhaus für Kinder und Erwachsene sein.“
Stand:
Herr Peinke, etwas mehr als 100 Tage leiten Sie nun das Waschhaus. Würden Sie den Job noch einmal annehmen?
Ich sage einfach mal: Ja.
Sie sagen „Ja“, obwohl es viel Kritik an Ihrem Haus gibt, und obwohl Sie selbst mit Kritik nicht gerade zurückhaltend sind?
Eigentlich bin ich gern hergekommen, weil das Waschhaus einen guten Ruf hat. Das inhaltliche Leben kannte ich allerdings nicht präzise, auch nicht die Diskussion nach der Sanierung. Erst jetzt bin ich soweit, dass ich die Vorwürfe von Besuchern verstehe, die meinen, das wäre nicht mehr ihre Heimstätte.
Sie sprechen die Kritik von Jugendlichen an, die sich im sanierten Waschhaus nicht mehr wohlfühlen. Woran liegt das?
Natürlich ist der Unterschied zur Zeit davor gewaltig: Auf alten Fotos sieht man ein wunderschön buntes Publikum, Weinreben am Haus, eine ganz andere Umgebung. Das ist ein Problem. Andererseits ist hier viel investiert worden und es gibt alle Möglichkeiten, Veranstaltungen von Partys und Konzerten bis zu Theater und Kabarett zu machen.
Könnte es vielleicht auch sein, dass die Qualität mancher Partys nicht mehr den Erwartungen von Jugendlichen entspricht? Bestimmte Veranstaltungen, wie die beliebten „Brennstoff“-Partys mit Indie- und Alternativ-Musik, sind abgeschafft worden.
Das hat weniger mit der Qualität der Veranstaltungen zu tun als mit einem Imageproblem. Es ist fast so, als habe die Szene eine Verabredung getroffen: Da geht man nicht mehr hin. Wir suchen nun einen Weg, das zu ändern. Da sind wir in der Probierphase. In den letzten Jahren verlor „Brennstoff“ seine magnetische Wirkung, weil mit „Rock ’n’ Roll Highschool“ ein frisches Format gefunden wurde. Ab September wird basierend auf „Rock ’n’ Roll Highschool“ zusammen mit der „Schwarzwäsche“ eine Partyerweiterung auf drei Floors vollzogen, die einen belebenden Akzent setzen soll.
Wie haben Sie das Haus vorgefunden, als Sie am 1. März als neuer Chef antraten?
Ich dachte, ich finde hier ein funktionierendes Haus. Allerdings habe ich schnell gemerkt, dass die Auslastung nicht so ist, wie sie sein muss.
Das heißt, zu wenig zahlendes Publikum. Sie sprechen von finanziellen Problemen?
Wir sind nicht zufrieden. Ich brauche für eine vernünftige Bewirtschaftung des Hauses eine starke Quersubventionierung durch den Musikbereich. Unser politischer Auftrag ist zugleich, auch bewusst günstige Veranstaltungen anzubieten. Gleichzeitig sind die Betriebs- und Personalkosten immer noch erheblich höher als die Förderung von Stadt und Land. Das Kernproblem ist also: Ich muss hohe Erlöse erzielen. Das steht im Konflikt mit dem Begriff Soziokulturelles Zentrum.
Liegen diese hohen Kosten mehr im Personalbereich oder bei den Betriebskosten?
Am Personal liegt es eher weniger. Wir müssten für unsere Größenordnung eigentlich mehr Leute haben. Derzeit gibt es für jede Position nur einen Mitarbeiter. Gerade im Bereich Veranstaltungen müsste es zumindest eine Person mehr sein, etwa für Marktbeobachtung. Bei den Mitarbeitern lässt sich also kaum sparen, zumal wir unter Tarif entlohnen. Enorm hoch sind aber die Betriebskosten, zumal wir sie im Voraus begleichen sollen. Und manche der Posten, für die wir pauschal zahlen, sind für mich nicht nachvollziehbar.
Können Sie ein Beispiel nennen?
Für die Freilichtbühne sollen wir über 500 Euro im Monat zahlen, auch außerhalb der Saison. Ich frage mich: Wofür? Auch für den Kunstraum fallen aus meiner Sicht zu hohe Kosten an. Zu solchen Punkten bitte ich gerade den Kommunalen Immobilienservice und den Bereich Kultur um Gesprächsbereitschaft, weil die Vorauszahlungen ein akutes Problem sind.
Zumindest haben Sie am 3. Juli mit der Bespielung der Freilichtbühne begonnen.
Ja, seitdem gibt es endlich wieder das Freilichtkino: eine Tradition des Hauses. Aber das reicht sicher nicht für so eine Bühne, keine Frage. Es gibt verschiedene Ideen von Sportveranstaltungen wie Boxen bis zu Konzerten. Aber auch hier liegt der Teufel im Detail: Es können nur bestimmte Veranstaltungen stattfinden, weil die Platzkapazität um die Bühne herum zu gering ist – für eine Open Air- Show hat man ja bestimmte Anfangskosten, die wieder eingespielt werden müssen. Zudem haben wir keine Gaze.
Für was wird denn Gaze gebraucht?
Das ist die für so eine Bühne unbedingt nötige Umspannung, die jedoch nicht eingeplant war. Ohne sie wäre aber ein Konzert derzeit ein Risiko, weil bei Regen die Technik nass wird – das ist die größte Unzulänglichkeit an dieser Bühne.
Gibt es weitere Probleme?
Wegen der neuen baulichen Gegebenheiten können wir maximal 700 Besucher in die Arena einlassen. Früher waren erheblich mehr möglich. Das liegt zum Beispiel an der Toilettenfrage: Für die benötigte Anzahl von Besuchern wurden zu wenige WCs eingebaut. Will ich mehr Gäste, muss ich Dixie-Toiletten für zusätzliches Geld anmieten. Bei der Übergabe an uns haben wir viele solcher Baumängel moniert, die schnellstens behoben werden müssen. Noch ein Beispiel fällt mir ein: Unsere Brandmeldeanlage reagiert auf Konzertnebel. Aber ohne Nebel funktionieren Partys nicht
Sie haben bereits in einer Sitzung des städtischen Kulturausschusses formuliert, dass bei der Waschhaus-Sanierung wohl nicht genügend im Sinne der Nutzer nachgedacht worden sei.
Ja, es wurde mehr im denkmalpflegerischen Sinne gedacht. Die Bedürfnisse von Veranstaltern sind dabei in den Hintergrund gerückt. Und wenn dann bestimmte Dinge fehlen, verursacht das Kosten – oder Ideen können einfach nicht realisiert werden.
Schon viel ist über solche Pannen geredet worden. Auch die Schiffbauergasse an sich leidet unter diesem Ruf. Nun wird nach Jahren der politischen Diskussion ein gemeinsames Standortmarketing ausgeschrieben. Was versprechen Sie sich?
Ein richtiger Ansatz, aber ich weiß nicht, ob dies ausreicht. Ein Außenstehender, der hier zentral agiert, wird es bei so vielen einzelnen Akteuren sicher nicht leicht haben. Ich glaube, die ursprüngliche Idee – eine Einrichtung hier macht das Marketing für alle – war bisher die beste. Mit den 60 000 Euro für die Marketing-Ausschreibung hätte man hier wirklich etwas auf die Beine stellen können. So gibt es zwar endlich eine richtige Beschilderung, aber nachts ist sie nicht beleuchtet. Zudem fehlt jede Information darüber, was die Schiffbauergasse bedeutet, welche Geschichte sie hat.
Abgesehen von dem geplanten Standortmarketing, wie wollen Sie dem schon angesprochenen Imageproblem des Waschhauses entgegenwirken?
Da sind wir längst dabei. Wir wollen während unserer Waschhaus-Feier heute den Ginko-Baum wieder einpflanzen, der vor der Sanierung hier stand und für uns ein Symbol ist. Zugleich soll Tag der Offenen Tür sein. Dafür sollte das Waschhaus wieder ein Gesicht erhalten: Unsere Azubis und das Gastro-Team haben Wände gestrichen und Plakate geklebt. Mit wenig finanziellem Aufwand hoffen wir auf die Wirkung von mehr Farbe und Grün.
Farbe allein wird da kaum ausreichen.
Die Gastronomie soll sich nach außen öffnen. Der Standort hier muss endlich wieder geprägt werden. Deshalb wollen wir offensiv an die Öffentlichkeit gehen. Das Waschhaus soll in vielen Dingen weitermachen wie bisher, mit alten und neuen Veranstaltungsreihen. Verstärkt wollen wir auf die Schulen zugehen. Es gibt gerade Verhandlungen mit der Landesarbeitsgemeinschaft für Darstellendes Spiel in der Schule e.V.: Wir möchten gemeinsam „Faust - Die Rockoper“ aufführen. Das passt gut zu unserem Konzept, die Räume am Tag mehr zu nutzen. Dazu gibt es viele Ideen für die Arena: etwa Familienskating im Winter. Wir werden nicht nur das Waschhaus für die jugendliche Altersgruppe, sondern auch für Kinder und Erwachsene sein.
Abseits der Schiffbauergasse wird in Potsdam aktuell viel über das Jugendkultur-Vorhaben „Freiland“ diskutiert. Angst vor neuer Konkurrenz?
Ich sehe das nicht als direkte Konkurrenz. Das Projekt an sich hört sich für mich vernünftig an, eine solche Stätte stünde Potsdam nicht schlecht zu Gesicht. Und ich warne vor einer Neiddebatte zwischen den Soziokultur-Standorten: Weil viel weggefallen ist, gibt es in Potsdam mit Recht einen großen Bedarf an Jugendkultur. Davon bleiben wir ein Bestandteil, das will ich deutlich sagen. Wir lassen uns nicht vom Markt fegen!
Das Gespräch führte Henri Kramer
Wilfried Peinke ist 1949 in Potsdam geboren worden – hat aber die meiste Zeit seines Lebens in Berlin gewohnt. Dort studierte er Kultur- und Theaterwissenschaften an der Humboldt-Universität Berlin. In diesem Bereich arbeitete er unter anderem bis 1992 als Verwaltungschef an der Volksbühne Berlin und bis Ende 2008 als Direktor der Uckermärkischen Bühnen in Schwedt.
Peinke wohnt in Zepernick, nördlich von Berlin, ist verheiratet und hat eine Tochter. Geschäftsführer vom Waschhaus im Auftrag der Waschhaus gGmbH ist er seit dem 1. März 2009. Foto: T. Rückeis
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