Sport: „Wir wollen Paroli bieten“
Turbine Potsdams Ariane Hingst über das DFB-Pokalfinale und die EM-Endrunde
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Turbine Potsdams Ariane Hingst über das DFB-Pokalfinale und die EM-Endrunde Haben Sie den UEFA-Cup-Erfolg mit dem FFC Turbine Potsdam vom Wochenende schon richtig verarbeitet, Frau Hingst? Noch nicht so ganz, aber dazu fehlt derzeit wohl auch ein bisschen die Zeit, denn die Saison ist ja noch nicht zu Ende. Das kommt wahrscheinlich erst nach der Europameisterschaft, wenn man richtig Ruhe hat darüber nachzudenken. Wie motiviert man sich nach diesem Highlight, sich in dieser Woche noch einmal konzentriert auf das DFB-Pokalfinale gegen den FFC Frankfurt am kommenden Sonnabend im Berliner Olympiastadion vorzubereiten? Wer im Pokalfinale mit diesem Stadion, dieser Kulisse und diesem Gegner steht, braucht keine zusätzliche Motivation. Wir sind in einem guten Trainingsfluss und eingespielt, jetzt sind wir dabei, wieder unsere Kräfte zu sammeln. Es werden noch Kleinigkeiten trainiert, aber wir wissen alle, was am Sonnabend auf uns zu kommt. Ihre Mannschaft fühlt sich als UEFA- Cup-Sieger verständlicherweise im Hoch – schwebt sie schon zu hoch auf Wolke sieben? Das denke ich nicht. Sicher ist es ein gutes Gefühl zu wissen, dass wir in dieser Saison die beste Vereinsmannschaft im europäischen Frauenfußball geworden sind, was uns auch einen gewissen Grad an Selbstvertrauen gibt. Aber wir alle wissen genau, wie stark Frankfurt ist. Das wussten wir übrigens auch im vergangenen Jahr, weshalb wir damals davor gewarnt haben, schon von einer Wachablösung zu sprechen. Wir laufen jetzt nicht durch die Gegend und verkünden, wir würden die Frankfurterinnen am Sonnabend haushoch schlagen. Die Gefahr der Selbstüberschätzung sehe ich in unserer Mannschaft nicht. Wird es Frankfurt Ihrer Elf im DFB-Pokalendspiel schwerer machen als Djurgarden/Älvsjö Stockholm im UEFA-Cup-Finale? Ich würde nicht sagen, dass es uns Stockholm leicht machte. Was uns diesmal gut gelang, war das rasche Nutzen zweier Chancen zu zwei Toren. Das war fast einzigartig und gab es wohl noch nie bei Turbine Potsdam. Frankfurt wird natürlich ein schwerer Gegner, gegen den wir in dieser Bundesliga-Saison zweimal verloren haben. Aber wir wollen am Sonnabend zeigen, dass wir trotz der verlorenen Meisterschaft immer noch in der Lage sind, Frankfurt Paroli zu bieten. Das spielerische Potenzial dazu besitzen wir. Ihr Trainer Bernd Schröder hat nach dem Europacup-Triumph versprochen: Jetzt holen wir auch den DFB-Pokal. Was sagen Sie dazu? Man kann den Trainer nach einem solchen Versprechen ja nicht im Regen stehen lassen. Ich weiß nicht, ob die Mannschaft diesen Druck braucht, unter den der Trainer uns damit setzt. Er hat sich mal wieder weit aus dem Fenster gelehnt – aber gut: Dann müssen wir wohl nachziehen. Wir werden alles versuchen. Nach dem UEFA-Cup-Finale haben Sie und Ihre Mitspielerinnen noch lange mit der Mannschaft Stockholms gefeiert – solche Innigkeit darf man nach dem DFB-Pokalfinale zwischen Potsdamerinnen und Frankfurterinnen nicht erwarten, oder? Mit Sicherheit nicht, das sind zwei völlig verschiedene Welten. Gemeinsame Partys von Deutschen und Schwedinnen haben schon seit Jahren eine gute Tradition, die werden nach dem Pokal-Endspiel nicht stattfinden. Egal wie das ausgeht, anschließend gehen beide Mannschaften getrennte Wege und feiern für sich. Dass heißt nicht, dass ein Feindschaftsverhältnis besteht, denn der Großteil der Spielerinnen versteht sich – auch durch die Nationalmannschaft – sehr gut. Aber zwischen beiden Vereinen besteht halt doch eine sehr große Konkurrenz. Mit den Schwedinnen hatten wir schon oft Anlass zum Feiern: Bei der Europameisterschaft 2001, bei der WM 2004 und jetzt auch nach dem Vereinsduell. Es war immer so, dass wir anschließend miteinander feierten. Viele von uns kennen sich seit Jahren durch die Länderspiele, da entstand mancher sogar freundschaftliche Kontakt. Wir kommen prima miteinander aus, und die Schwedinnen waren hier in Potsdam auch super drauf, so dass einfach eine gute Stimmung herrschte. Stichwort Nationalmannschaft: Mit der fliegen Sie nach dem DFB-Pokalfinale zur Europameisterschafts-Endrunde nach England – zusammen mit gleich sieben weiteren Potsdamerinnen. Wie sehen Sie das? Diese große Anzahl zeigt, wie gut in den letzten Jahren bei Turbine gearbeitet wurde. Sicher, mit Britta Carlson und Sonja Fuss kamen in dieser Saison auch Nationalspielerinnen von anderen Vereinen zu uns, aber die gute Entwicklung einiger Spielerinnen zeigt sich beispielsweise an Anja Mittag, die aus der U19 gleich den Sprung in die EM-Mannschaft schaffte. Ich denke, jede einzelne hat die Berufung ins EM-Aufgebot verdient. Andererseits ist es besonders hart für unsere drei Nationalspielerinnen, die zu Hause bleiben müssen, was auch daran liegt, dass schon der Konkurrenzkampf innerhalb unserer Potsdamer Mannschaft extrem hoch ist. Es ist mittlerweile einfacher, sich gegen eine Spielerin aus einem anderen Verein zu behaupten als gegen eine aus den eigenen Reihen. Tut es gut, bei einem Turnier wie jetzt der EM so viele Vereinskameradinnen um sich zu wissen? Ach, das eine hat mit dem anderen nichts zu tun. In der Nationalmannschaft ziehen alle an einem Strang, unabhängig von der Vereinszugehörigkeit. Sowohl im Spiel als auch außerhalb des Platzes verstehen wir uns alle gut, da brauche ich zum Wohlfühlen nicht unbedingt meine Potsdamerinnen um mich herum. Aber natürlich kann eine gewisse Blockbildung auf dem Spielfeld auch von Vorteil sein, und die Nationaltrainerin hat bei ihrer Berufung ja argumentiert, dass wir Potsdamerinnen gut eingespielt sind. Bei der EM kann für Titelverteidiger Deutschland nur Gold das Ziel sein, oder? Natürlich, als amtierender Weltmeister kann es für uns nur heißen: Wir wollen den Titel verteidigen. Was wahrscheinlich in diesem Jahr besonders schwer werden wird, denn die Spit- ze in Europa wie auch weltweit ist wahnsinnig eng zusammengerückt, was sich auch im Februar beim Algarve-Cup in Portugal zeigte. Alle Mannschaften haben sich weiterentwickelt, es gibt nicht mehr nur noch einige wenige dominierende. Aber ich freue mich schon auf die Aufgaben, die uns erwarten. Zunächst aber wartet die Aufgabe DFB-Pokalverteidigung auf Sie. Wir werden alles tun, um den Pokal zu behalten. Ein solches großes Publikumsinteresse wie im DFB-Pokalfinale haben wir nur einmal im Jahr. Deshalb ist es wichtig, dass wir in Berlin wieder ein gutes Spiel zeigen – am liebsten natürlich mit einem guten Ende für uns. Das Interview führte Michael Meyer
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