Landeshauptstadt: „Wir wollten nichts Böses“
Weihnachtsmarkt-Organisator Eberhard Heieck über die Kritik von Händlern aus der Brandenburger Straße, den neuen Baum und die Totensonntag-Debatte
Stand:
Herr Heieck, ihr Weihnachtsmarkt ist umstritten. Händler auf der Brandenburger Straße beklagen sich jedes Jahr, dass ihre Geschäfte von Buden verstellt sind
Dieses Problem haben alle Weihnachtsmärkte in Deutschland, wenn sie in Fußgängerzonen stattfinden. Deswegen gab es in anderen Städten bereits Gerichtsprozesse, bei denen klagende Händler aber immer verloren haben. Die Richter haben jeweils entschieden, dass so ein Markt zumutbar ist, dass das Allgemein- vor dem Einzelinteresse eines Händlers rangiert.
Doch wie wäre es, wenn Sie umziehen, etwa an den Lustgarten? Einen entsprechenden Prüfauftrag der Stadtverordneten an die Potsdamer Verwaltung gibt es.
Davon hätte niemand etwas, weil sich so die Besucherströme teilen. Dadurch würden sowohl die Händler am Lustgarten als auch in der Brandenburger Straße Verluste zu erleiden. Zudem könnten wir am Lustgarten nicht so hohe Standmieten verlangen – doch aus diesen Einnahmen finanzieren wir auch die Illuminierung des Marktes, die etwa 20 000 Euro kostet. Dies würde leiden. Und: Weihnachtsmärkte gehören für mich ins Zentrum.
Versuchen Sie denn auf Wünsche der Händler einzugehen?
Ja. So werden Buden auch mal einen Meter nach links oder rechts gerückt. Das kommt auf die Situation an – etwa wenn es um einen Juwelier geht, der von seinen Auslagen lebt. Doch allen wird man es nicht recht machen können. Andererseits sollten die Händler versuchen, dass sie in der Zeit des Weihnachtsmarkts mehr Kunden locken – etwa mit interessanten Dekorationen oder Aktionen. Der Markt zieht schließlich viele Besucher in die Stadt.
Der Baum, der für den Weihnachtsmarkt am Brandenburger Tor steht, sieht in diesem Jahr endlich aus wie ein richtiger Baum ... Warum stand dort eigentlich immer ein künstlicher?
Im Zuge der Diskussion um den Weihnachtsmarkt im vergangenen Jahr haben die Potsdamer Kirchen angeregt, ob wir nicht besser einen echten Baum aufstellen wollen. Dem haben wir zugestimmt – obwohl das ein deutlich größerer Aufwand ist. Das liegt unter anderem daran, dass es an dieser Stelle keine Hülse im Boden gibt, in die der Baum eingelassen werden könnte. Nun nutzen wir eine künstliche Hülse, die mit Betonplatten beschwert ist.
Um was für einen Baum handelt es sich?
Das ist eine rund 14 Meter hohe Weißtanne, die aus Cottbus geliefert wurde. Wir haben uns im Vorfeld auch ein paar Bäume in Potsdam angesehen, doch da war kein richtiger dabei - die Blautannen waren entweder zu dick oder es fehlte an anderen Stellen etwas.
Was kostet so ein Baum eigentlich?
Ab tausend Euro aufwärts. Aber letztlich verursachen vor allem der Transport und die Logistik für das Aufstellen die Kosten. Ab dem heutigen Montag werden der Baum und auch der restliche Weihnachtsmarkt wieder im ’Blauen Lichterglanz’ erstrahlen. Allein an dem Baum werden über hundert blaue Sterne hängen – und eine 300 Meter lange LED-Kette. Wir haben zur Probe das Licht schon eingeschaltet – diesen Test hat der neue Baum bestanden. Und: Er wird wie gewohnt mit einem sogenannten Blau-Effekt leuchten.
Warum eigentlich blau?
Als wir den Potsdamer Weihnachtsmarkt die ersten Jahre organisiert haben, gab es von der Stadt bald den Wunsch, dass man sich von anderen Weihnachtsmärkten unterscheiden sollte. Wir haben uns damals von einer Werbefirma ein Konzept erstellen lassen. Das war die Zeit, in der die Peter-und-Paul-Kirche am Bassinplatz saniert wurde – davor stand ein Gerüst und daran war eine Kerze mit blauem Licht installiert, die genauso groß wie der Kirchturm war. Das wirkte sehr schön. Daher kam die Idee, ob man nicht den gesamten Weihnachtsmarkt so beleuchten könnte. Deswegen bauten wir einen Pyramidenbaum mit blauen LED-Ketten, der auf der anderen Seite der Brandenburger Straße stehen sollte. Für unser Gesamtkonzept bekamen wir den Zuschlag. Seither ist das blaue Licht das Alleinstellungsmerkmal des Potsdamer Weihnachtsmarktes.
Aber an der Peter-und-Paul-Kirche ist keine blaue Kerze mehr ...
Das stimmt, das ist schade. Die Kirche hat damals beraten, ob die Kerze zur Weihnachtszeit eine Dauerlösung sein kann – sich aber wegen des Denkmalschutzes und wegen des finanziellen Aufwands dagegen entschieden. Dafür statten wir auf dem Markt von Jahr zu Jahr mehr Bäume mit Lichterketten aus, die pro Stück rund 2000 Euro kosten.
Was wird bei diesem Weihnachtsmarkt – außer dem Baum – anders sein als in den vergangenen Jahren?
Das ist eine beliebte Frage von Journalisten. Doch Weihnachten lässt sich nicht jedes Jahr neu erfinden. Allerdings kann man an der Zusammensetzung der Stände arbeiten. Dieses Jahr haben wir zum ersten Mal indisches Kunsthandwerk im Angebot, aber auch wieder Korbwarenhändler, polnische Keramik oder einen Honig- und Bienenwachs-Stand. Erstmals wird es finnischen Glögi-Glühwein mit Johannisbeersaft, aber auch belgisches Glühbier geben. Dazu wollen wir jedes Jahr familienfreundlicher werden: Es gibt zum Beispiel erneut eine Bühne, auf der Schauspieler täglich Märchen aufführen.
Sie haben die Diskussion des vergangenen Jahres erwähnt, als der Weihnachtsmarkt vor dem Totensonntag öffnete und dies zu Protesten führte. Wie sehen Sie die Debatte im Rückblick?
Wir wollten damit nichts Böses. Wir haben einfach nicht mit der Kritik gerechnet, weil viele Städte in den alten Bundesländern wie Bonn oder Dortmund ihre Märkte seit Jahren vor dem Totensonntag öffnen. Der Totensonntag ist ja auch kein kirchlicher Feiertag, sondern wurde einst vom Preußenkönig Friedrich Wilhelm III ausgerufen – der Tag ist aus meiner Sicht also kein Dogma. Die gesellschaftliche Entwicklung in Deutschland ist weiter, wir haben eine Multikultigesellschaft. Kurioserweise hat die Debatte dazu geführt, dass zum Start des Weihnachtsmarktes so viele Besucher kamen wie lange nicht mehr. Insofern konnten sich die Händler über sehr gute Umsätze freuen.
Das Interview führte Henri Kramer
Eberhard Heieck ist 60 Jahre alt und seit 1990 der Geschäfsführer der Coex GmbH, die deutschlandweit Stadtfeste organisiert – und seit 1998 den Weihnachtsmarkt in Potsdam.
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