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WIEDEMANN bildet: Wissen ist Macht (?)

Die Formulierung des englischen Philosophen Francis Bacon beschäftigt mich seit der Katastrophe in Japan mehr denn je. Seit dieser Katastrophe geht es nicht mehr um den Wert von wissenschaftlichen Qualifizierungsarbeiten oder um Diskussionen über verschiedene Schulsysteme und deren Finanzierung, jetzt geht es um nicht mehr und nicht weniger als um die Beherrschbarkeit von Ergebnissen menschlichen Erkenntnisstrebens.

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Die Formulierung des englischen Philosophen Francis Bacon beschäftigt mich seit der Katastrophe in Japan mehr denn je. Seit dieser Katastrophe geht es nicht mehr um den Wert von wissenschaftlichen Qualifizierungsarbeiten oder um Diskussionen über verschiedene Schulsysteme und deren Finanzierung, jetzt geht es um nicht mehr und nicht weniger als um die Beherrschbarkeit von Ergebnissen menschlichen Erkenntnisstrebens. Da werden einem Hochtechnologieland innerhalb weniger Stunden die Grenzen in der Beherrschbarkeit von einigen Hoch- und Brückentechnologien aufgezeigt und gleichzeitig können wir hier im erdbeben- und tsunamisicheren Deutschland dank anderer Hochtechnologien am schrecklichen Geschehen teilhaben. Die Fernsehzuschauer werden zu Voyeuren einer bis dato nicht gesehenen Realität und wir sind offenbar eher bereit, darüber nachzudenken, wie wir unsere Kinder vor dem medialen Inferno schützen, als darüber, wie wir sie vor ähnlichen Ereignissen in unserer Realität bewahren können. Das ist ziemlich fatal, weil unser Wissen in bestimmten Bereichen zu einer nicht mehr beherrschbaren Macht geworden ist, und ich meine damit nicht nur Atomkraftwerke, sondern auch Entwicklungen im Individualverkehr oder auch in der Nahrungskette. Goethes „Zauberlehrling“ lässt sich eben nicht nur auf die Kernenergie anwenden und die „gerufenen Geister“, die wir nicht mehr loswerden, sind auch nicht nur ein Problem der Politik.

Wir brauchen ein von ethischen Fragen bestimmtes „Denkmoratorium“ in unseren Wissensgesellschaften, eine Bestandsaufnahme dessen, was wir gegenwärtig wissen - oder glauben zu wissen! - und was wir wissen sollten bzw. eigentlich wissen müssten.

Wir haben in Potsdam mit dem Institut für Klima, Erdsystem und Nachhaltigkeit (IASS), dem Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK), dem Deutschen GeoForschungsZentrum (GFZ), den geisteswissenschaftlichen Zentren am Neuen Markt und den drei Hochschulen exzellente Voraussetzungen, diesen Diskurs zu beginnen und inhaltlich zu gestalten.

Aus meiner Sicht sind jetzt insbesondere die Humanwissenschaften und die Künste gefordert, in den doch bisher stark naturwissenschaftlich bzw. technologisch geprägten Diskurs einzugreifen. Will sagen, wir müssen wieder auf uns selbst zurückkommen, auf unser Menschsein in der Wissensgesellschaft. Und da hat die Kunst gegenwärtig die interessantesten Diskursangebote, auch solche zur Janusköpfigkeit der Natur- und Technikwissenschaften. Und wenn ich das schreibe, möchte ich nicht gleich in die Ecke der Technikfeindlichkeit gesteckt werden. Abschließend möchte ich an zwei Filme zu unserem aktuellen Thema erinnern, nämlich an „The Day After“ (1983) und an „Stalker“ (1978/79) und mir wünschen, dass die persiflierende Weiterentwicklung des Spruches von Bacon aus den achtziger Jahren nicht unseren weiteren Diskurs bestimmen möge: „Wissen ist Macht, aber nichts wissen, macht nichts.“

Unser Autor Dieter Wiedemann leitet seit sechzehn Jahren die Hochschule für Film und Fernsehen Babelsberg. Er hat zahlreiche Publikationen zu Film und Fernsehen sowie zur Aufarbeitung und Wertung des DEFA-Filmerbes und des DDR- Kinderfernsehens verfasst.

Dieter Wiedemann

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