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Landeshauptstadt: WM-Gucken bei Glühwein?
Die Potsdamer Fußballwelt kritisiert vor allem die Entscheidung für den Austragungsort Katar
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Sommer und Katar – die meisten Fußballfans haben diese beiden Vokabeln nicht mit dem beliebten Kick um das runde Leder in Verbindung gebracht, bevor der Weltfußballverband Fifa die Weltmeisterschaft 2022 in den ölreichen Wüstenstaat vergab. Immer wieder wurden seitdem Korruptionsvorwürfe im Zusammenhang mit der im Dezember 2010 getroffenen Entscheidung laut – Journalisten der britischen Zeitung „Sunday Times“ wollen im Vorfeld sogar erfolgreich auf Stimmenkauf unter zwei Fifa-Entscheidern gegangen sein.
Dass jetzt, wie am Mittwoch geschehen, ein Funktionär das Turnier nicht traditionell im Sommer, sondern zwischen dem 15. November und dem 15. Januar veranstalten will, ruft unter Fußballkennern in Potsdam nur bedingt positive Reaktionen hervor. Vor allem die Zweifelhaftigkeit der Entscheidung als solche wird immer wieder hervorgehoben.
Bernd Schröder, Erfolgstrainer bei Turbines Bundesliga-Fußballerinnen, hatte dabei schon den richtigen Riecher, als die PNN ihn nach der ersten Eilmeldung um ein Statement bat. Er glaube nicht, dass dies schon das letzte Wort sei, sah bei der Fifa ein „rein in die Kartoffeln, raus aus den Kartoffeln“. Und tatsächlich: Was Fifa-Generalsekretär Jérôme Valcke angekündigt hatte, dementierte Fifa-Vizepräsident Jim Boyce umgehend – mit dem vielsagenden Zusatz „Stand heute“.
Die große Skepsis, die WM überhaupt dort auszurichten, blieb auch bei Schröder spürbar. Wenn man das Turnier schon dahin gebe, sagte er, dann sei der Wintertermin „sicherlich das Beste für das Turnier“. Er sieht ein logistisches Problem: Eine Winter-WM mit den nationalen Meisterschaften, der Champions League und den Nationalspielen in Einklang zu bringen werde „unwahrscheinlich schwer“. Viele Jahre lang hatten Vereine und Verbände sowohl in Europa als auch weltweit daran gefeilt, einen funktionierenden Rahmenplan aufzustellen.
WM im Winter – auch Sven Thoß hält davon wenig. Der Trainer des Oberligisten BSC Süd 05, der viele Jahre lang die Fußballer des Werderaner FC trainiert hat, sagt: „Das würde sicher komisch und ungewohnt werden, wenn ich im Dezember oder Januar Spiele einer Fußball-WM sehe. Da geht schon viel an Tradition und Flair verloren, wie ich es selbst 1998 bei der WM in Frankreich erleben konnte. Eine Fußball-WM im Winter – das ist einfach unsäglich.“
Auch über die plötzliche Einsicht, dass Katar im Sommer kein adäquates Wetter für Leistungssport bieten könnte, wundert sich Thoß. „Es ist blamabel für die Fifa, wenn der jetzt einfällt, dass es in Katar zu heiß werden könnte. Und dass jetzt versucht wird, das Turnier zu retten, zeigt doch, dass die Vergabe alles andere als sauber gelaufen ist.“
Auch Hartmut Lenski, der Vorsitzende des Fußballkreises Havelland-Mitte, sieht es ähnlich. „Das wird sicher noch nicht der Weisheit letzter Schluss sein. Es war ja ohnehin großer Blödsinn, die WM nach Katar zu vergeben. Jetzt den WM-Rhythmus möglicherweise aus dem Ruder laufen zu lassen, ist nur der verzweifelte Versuch und letzte Strohhalm, die WM in der Wüste stattfinden zu lassen. Auf unseren Spielbetrieb hätte das zum Glück keine großen Auswirkungen, zumindest im Januar ist bei uns Spielpause. Auch wenn der Deutsche Fußballverband die Rahmenspielpläne grundsätzlich vorgibt, können wir unseren Spielplan in Eigenregie gestalteten.“
Offenbar hat sich auch der Deutsche Fußball-Bund bereits mit einer möglichen Verlegung beschäftigt – und bei den Landesverbänden unlängst angefragt, welche Auswirkungen eine Verlegung in den Winter für den Amateurspielbetrieb haben könnte. „Wir waren dafür, den Spielkalender zu behalten, weil wir nicht direkt betroffen wären“, gab Michael Hillmann, Geschäftsführer des Fußball-Landesverbandes Brandenburg, den PNN gegenüber die Brandenburger Meinung wieder. Klar sei aber auch, dass dies nicht in Brandenburg, sondern wegen der Auf- und Abstiege innerhalb der zahlreichen Spielklassen auf nationaler Ebene entschieden werden müsse, so Hillmann weiter.
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