
© M. Thomas
Von Peer Straube: Wo den Tieren das Fell abgezogen wird
Breite Straße 11 wird Domizil der Präparatoren des Naturkundemuseums / Sanierung im Oktober beendet
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Innenstadt - Die Probleme lagen verborgen unter dem Haus. Das gesamte Fundament des Gebäudes in der Breiten Straße 11 musste mit Beton und Ziegeln unterfüttert werden, drei zugeschüttete Keller wurden ausgegraben, die Decken größtenteils mit Stahlstreben verstärkt.
Wenn die Bauarbeiten wie geplant am 31. Oktober enden, sind alle Abteilungen des Naturkundemuseums wieder unter einem Dach vereint – unter zwei Dächern, um genau zu sein. Denn dann werden Magazinbestände, Arbeitsräume und vor allem die Präparatorenwerkstatt in das Gebäude ziehen, das direkt an das eigentliche Museumshaus Breite Straße 13 grenzt. 1,75 Millionen Euro steckt der Kommunale Immobilienservice (KIS) in die Sanierung, die er sich vom Museum peu a peu zurückzahlen lässt. Die Sanierung begann im Dezember 2009 und verlief weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit. Gestern verschaffte sich Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) einen Überblick über den Fortgang der Arbeiten.
Allein die Vorgeschichte hat schon historischen Wert. 1953 gehörten beide Häuser schon einmal zusammen – damals wurde an dieser Stelle das Heimatmuseum gegründet, laut Naturkundemuseumschef Detlef Knuth ist der Standort damit der älteste unter den zahlreichen, die das Potsdam-Museum in seiner 100-jährigen Odyssee durch die Stadt mit Beschlag belegte. Es diente schon damals als Funktionsgebäude mit Lager- und Technikräumen. 1978 gab die Stadt das Haus Breite Straße 11 an den Bezirk Potsdam ab, der dort die Bezirkskulturakademie unterbrachte. Nach der Wende nutzte das Studentenwerk das Haus, 2000 bekam es die Stadt durch einen Flächentausch mit dem Land zurück, seitdem war es ungenutzt. 2003 erwirkte Knuth eine Baugenehmigung, die damals 80 000 D-Mark kostete, die er aus dem Museumstopf bezahlte. Seitdem tat sich nichts. Bis zum Herbst 2009. Dann entstand aus zwei Gründen zeitlicher Druck. Zum einen lief die Baugenehmigung aus, zweitens hatte die Stadt das Areal des alten Depots der Stadtreinigung an der Ecke Gutenberg-/Hebbelstraße an den Baukonzern Hochtief verkauft. Auf diesem Gelände hatte das Naturkundemuseum allerdings seine Lagerräume und die Präparatorenwerkstatt untergebracht. Eigentlich als Provisorium gedacht, nutzt die Einrichtung das Gelände nun schon seit zwölf Jahren, muss es aber wegen des Eigentümerwechsels zum Jahresende endgültig verlassen.
Im neuen Domizil Breite Straße 11 haben die Präparatoren dann beste Bedingungen, sagte Knuth erfreut. Durch die Freilegung dreier im Krieg zugeschütteter Keller gewann man Platz für die Unterbringung der Präparatensammlung, die deutschlandweit einzigartig ist und allein über 20 000 in Äthanol eingelegte heimische Fische sowie Hunderte Frösche und Schlangen umfasst. Im Erdgeschoss findet dann die „blutige“ Arbeit statt. Hier ziehen die Museumspräparatoren den Tieren buchstäblich das Fell über die Ohren, um die Kadaver dann kunstvoll zu konservieren. Im ersten Obergeschoss werden Arbeitsräume geschaffen sowie die Bibliothek aus dem Haupthaus untergebracht, wodurch im Museumsgebäude wiederum Platz für mehr Öffentlichkeitsarbeit durch Seminare und Veranstaltungen frei wird. Das zweite Obergeschoss soll ebenfalls Arbeits- und Magazinräume beherbergen, im ausgebauten Dachgeschoss schließlich findet die Tierskelettsammlung ihren Platz.
Das neue Dachgeschoss wurde dafür wieder an das historische Niveau aus der Zeit um 1770 angepasst – es ist jetzt einen Meter höher als vor der Sanierung. Zahlreiche Umbauten hatten das Haus überformt, dessen Ursprünge bis ins frühe 18. Jahrhundert zurückreichen, als an gleicher Stelle eine Meierei stand, von der noch ein Kellergewölbe existiert. In diesem Gemäuer finden sich auch heute noch Ziegel aus dem 14. Jahrhundert.
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