Homepage: Wo die Welt ins Rutschen gerät
2. Europäische Permafrostkonferenz: Der tauende Eisboden ist eine Quelle weiterer Treibhausgase, berichteten die Wissenschaftler
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2. Europäische Permafrostkonferenz: Der tauende Eisboden ist eine Quelle weiterer Treibhausgase, berichteten die Wissenschaftler Permafrost. Boden mit Temperaturen, die in zwei aufeinander folgenden Jahren nicht über den Gefrierpunkt steigen. Der in vielen tausend Jahren entstand und seine Umgebung tiefgekühlt für die Nachwelt konservierte. Der Sorgen macht, denn die weltweit zunehmenden Temperaturen lassen selbst tausend Jahre alten Permafrost schmelzen. Dort, wo das ewige Eis bisher Erdmassen zusammenhielt, Straßen stabil machte und harter Baugrund war, gerät heute jeden Sommer die Welt ins Rutschen: Die größte Schatztruhe der Erde gibt ihre Geheimnisse preis und verliert zugleich an Halt. Diese tauenden Böden und die Konsequenzen für die Welt, war das Thema der 2. Europäischen Permafrostkonferenz (EUCOP II) auf dem Telegrafenberg in Potsdam, an der 300 Wissenschaftler zusammen kamen. Botaniker und Bauingenieure, Mineralogen und Klimaforscher, Meeresbiologen und Landschaftsplaner. Die einen forschen in Sibirien, die anderen in den Alpen. Und manch ein Teilnehmer findet eine Verbindung zum Mars. Für Lutz Schirrmeister, Quartärgeologe der Potsdamer Außenstelle des Alfred-Wegener-Instituts (AWI) und einer der Organisatoren der Konferenz, ist Permafrost ein Archiv der Vergangenheit, Lebensraum der Gegenwart – und das Problem der Zukunft in Einem. Ein Viertel aller Landmassen der Erde sind von Dauerfrost durchzogen. Je nach Lage reicht er wenige Meter, stellenweise bis zu über 1000 Meter tief in den Grund. Das Hauptaugenmerk der Potsdamer Forscher gilt dem sibirischen Permafrost. Tatsächlich steht dort das Tor in die Vergangenheit weit offen: An den Neusibirischen Inseln rutschen durch die steigenden Temperaturen der aktuellen Warmzeit ganze Küstenstreifen ins Wasser. Im eisigen Schlamm am Fuß der Inseln finden Paläontologen gut erhaltene Reste von Mammuts, Moschusochsen und Pferden – Tiere, die während der letzten Eiszeit in dieser Region Zuflucht vor den Gletschermassen fanden. Ein Dorado eiszeitlicher Spuren für die Rekonstruktion des Klimas und der Umwelt währen der letzten Eiszeit. Die Entstehung von Permafrost, seine Mächtigkeit und Verbreitung sind eine direkte Folge des Klimas. Entsprechend empfindlich reagiert das frostige System gegenüber Temperaturschwankungen. „Um zu wissen, welche Folgen die heutigen Veränderungen in Sibirien nach sich ziehen, müssen wir die Vergangenheit verstehen“, betonen die AWI-Forscher in Potsdam einhellig – und haben die Gegenwart dennoch im Blick. Dirk Wagner ist Mikrobiologe am AWI. Der Forscher ist in der Tundra des Lena-Deltas hoch spezialisierten Mikroorganismen auf der Spur. Die winzigen Zeitgenossen tauen im Sommer mit dem Permafrost auf und bilden die klimarelevanten Treibhausgase Methan und Kohlendioxid. Experten schätzen, dass mehr als 14 Prozent des terrestrischen Kohlenstoffs im arktischen Permafrost gebunden sind. Taut dieser durch die globale Erwärmung im Sommer auch in Schichten unterhalb von 50 Zentimetern auf, hat das gravierende Folgen für den Kohlenstoffkreislauf der Erde. Tatsächlich produzieren die kälteresistenten Mikroorganismen das Gas Methan aus schlammig gewordener organischer Substanz. Jährlich etwa 80 Milligramm pro Quadratmeter, so die Messungen der Wissenschaftler. Zeitlich ein wenig versetzt bauen Sauerstoff liebende Bakterien in den oberen Schichten der sommerlichen Auftauschicht einen großen Teil des Methans wieder ab. Kohlendioxid entsteht. Beide Gase – Methan und Kohlendioxid – entweichen messbar dem frostigen Boden. Permafrost ist damit eine natürliche Quelle der beiden Treibhausgase. Mit simplen Jahresbilanzen aber ist es nicht getan: „Wir müssen nicht nur verstehen, wie viel, sondern auch warum und wo die Spurengase in die Atmosphäre entlassen werden“, betont Wagner. Erst dann werden die Wissenschaftler zukunftsträchtige Aussagen über die Bedeutung des Permafrosts als zusätzliche Quelle von Treibhausgasen machen können. Deren Relevanz, so viel können die Experten aber bereits sagen, werde derzeit im globalen Methanhaushalt noch zu wenig berücksichtigt. Julia Thurau
Julia Thurau
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