Landeshauptstadt: Wo Einstein auf den Moosgarten blickt
Babelsberger Kleingartenverein feiert im Oktober sein 75-jähriges Bestehen
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Babelsberger Kleingartenverein feiert im Oktober sein 75-jähriges Bestehen Von Erhart Hohenstein Ein mehr als 70 Jahre altes Foto zeigt Albert Einstein, als er aus dem Fenster einer Villa auf die neue Kleingartenanlage Moosgarten blickt. Neben ihm steht der Hauseigentümer Rudolf Moos. Die Familien waren verschwägert, und so besuchte der große Physiker regelmäßig seinen Babelsberger Verwandten. Rudolf Moos war ein Schuhfabrikant, der durch die Einführung der Marke „Salamander“ und deren Vertrieb über ein Netz von Einzelhandelsfachgeschäften reich geworden war. Der sozial denkende und handelnde Unternehmer hatte 1929 einen Landstreifen hinter seiner Villa Nowaweser Arbeitern zur Anlage von Kleingärten verpachtet, wo sie Obst und Gemüse anbauen und sich erholen konnten. Als vor wenigen Jahren südlich der Kleingartenanlage eine neue Straße gebaut wurde, erhielt sie den Namen von Rudolf Moos. Zur Einweihung waren aus den USA Nachfahren des Fabrikanten gekommen, der wegen seiner jüdischen Abstammung in den 30er Jahren aus Nazideutschland emigrieren musste. Ihr Blick fiel allerdings nun auf eine Kleingartenanlage, die im Laufe ihrer bewegten Geschichte arg beschnitten und gebeutelt worden war. Der Ärger begann gleich zu Beginn der nationalsozialistischen Ära. Die mehrheitlich SPD und KPD wählenden Kleingärtner zogen weiterhin schwarz-rot-goldene oder gar rote Fahnen auf. Der Moosgarten galt als Treffpunkt illegaler Gruppen und wurde mehrfach von der Polizei durchsucht. Eine Razzia erbrachte sogar „eine erhebliche Anzahl Waffen“. Sie bestand allerdings aus einem einzigen alten Seitengewehr, mit dem ein Gärtner den Boden lockerte. Auch den Namen des Juden Rudolf Moos durfte die Sparte nicht mehr tragen. Sie wurde in „Eigene Kraft“ umbenannt. In der DDR-Zeit begannen dann die Eingriffe, die das Gelände immer weiter verkleinerten. Durch den Bau der Nutheschnellstraße gingen 13 Parzellen verloren, dieselbe Zahl noch einmal 1999, als Babelsberg-Süd zum Gewerbegebiet umgewidmet wurde. Damals schon ahnte der Vorstand um Rüdiger Spiegler noch Schlimmeres, und das kam dann auch: Im November 2002 schrumpfte der Moosgarten erneut um 33 auf nunmehr lediglich noch 29 Parzellen. Noch heute treibt es den Vorstandsmitgliedern die Zornesröte ins Gesicht, wenn sie sich an die fehlende Vorinformation, auch seitens des VGS-Kreisvorstandes, und das handstreichartige Vorgehen der Stadt erinnern. Als einzigen Pluspunkt können sie nennen, dass sich der VGS bemühte, den Vorstand auf in anderen Anlagen frei werdende Gärten hinzuweisen. So bewirtschaftet mancher ehemalige Moosgärtner jetzt eine Parzelle in Michendorf oder Nedlitz. Weichen mussten 2002 auch das schöne Vereinsheim und drei auf der früheren Festwiese neu angelegte Gärten. Die Wiese war sozusagen als Schutzmaßnahme parzelliert worden: Hier tauchten nämlich nach der „Wende“ Wohnwagen auf, in denen leicht geschürzte Damen ihre Dienste anboten. Aber die haben ja inzwischen ein festes Domizil. Den „Moosgärtnern“ ist übel mitgespielt worden. Um so reicher und bunter blühen die verbliebenen 29 Gärten. Und auch das 75-jährige Bestehen wird im Oktober zünftig gefeiert. Mit dabei sein werden dann auch die zwölf Mitglieder, die keinen Garten mehr haben und dennoch der Sparte die Treue halten. Sie werden in das Vereinsleben einbezogen, u.a. in die Busfahrten, die zu Bundes- und Landesgartenschauen führen.
Erhart Hohenstein
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