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„Ich wollte doch nach Hause.“ Fritz Ehlers, „Urgestein“ der Siedlung.

© G. Schenke

Landeshauptstadt: Wo Fritz Ehlers zu Hause ist

80 Jahre Angermannsiedlung: Bewohner feierten zum Jubiläum ein Straßenfest

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Dass die Leute ihn als „Urgestein“ bezeichnen, hört Fritz Ehlers ganz gern. Der 94-Jährige lehnt am Zaun seines Hauses in der Angermannsiedlung, unter dem Schutz eines Strohhutes beobachten seine Augen am Samstag das Geschehen auf der abgesperrten Straße: Straßenfest zum 80-jährigen Bestehen der schmucken Siedlung an der Nedlitzer Straße.

Ehlers hört auch den Vortrag seines Nachbarn Wolfram Maede, der zahlreiche Dokumente über die Geschichte der Angermannsiedlung zusammengetragen hat und in einem umfangreichen Geschichtsbuch-Ordner verwahrt. Doch „Urgestein“ Ehlers ist gewissermaßen selbst ein lebendiges Geschichtsbuch. „Als ich 14 Jahre alt war, kauften meine Eltern hier in der Kriegsbeschädigtensiedlung das Haus.“ Mit Unterbrechungen durch Krieg und sowjetische Besetzung lebte Ehlers hier. Deutschlands Niederlage im Zweiten Weltkrieg erlebte Ehlers in Westdeutschland. Als Sanitäter der Wehrmacht konnte er zur Britischen Air Force wechseln. „Die Briten brauchten dringend Sanitäter und ich konnte ein Diplom als Rettungssanitäter vorweisen.“ Schon 1945 zog es ihn wieder nach Potsdam. „Ich wollte doch sehen, wie es hier aussieht“. Er wurde bei der sowjetischen Kommandantur in Bornim vorstellig. In Begleitung eines Soldaten „mit Karabiner und aufgepflanztem Bajonett“ konnte er sein Elternhaus in Augenschein nehmen. In Besitz nehmen ging aber nicht, denn da waren die Russen drin. Erst nach deren Auszug im Jahre 1950 – Ehlers hatte inzwischen in Westdeutschland geheiratet – konnte er zurück. Warum er aus dem Westen in den Osten zog? „Ich wollte doch nach Hause.“

Heute leben in der Siedlung Bewohner fast aller Generationen; in sieben Häusern sogar Nachfahren der zwanzig Erbauer. Für die Kleinsten war beim Straßenfest eine Decke zum Herumkrabbeln ausgebreitet; die Erwachsenen konnten sich bei Speis und Trank unter anderem an der Show der „Fallobst“-Theatergruppe vom Treffpunkt Freizeit erfreuen.

Solch ein Fest wie am Samstag hatte es in der Angermannsiedlung noch nie gegeben. „Das erste und letzte war die Einweihungsfeier im November 1933“, erwähnt Wolfram Maede. Seit 1929 habe sich der Siedlungsverein der Kriegsbeschädigten und Kriegshinterbliebenen um den Aufbau bemüht, ehe er drei Jahre später Wirklichkeit wurde. Das „Tageblatt“, eine Art Potsdamer Amtsblatt, titelte zur Eröffnung: „Potsdams lebendes Kriegerdenkmal“ und erwähnte, dass Eitel Friedrich Prinz von Preußen zugegen war.

Das weithin bekannte Architektenbüro Otto von Esttorf und Gerhard Winkler fertigte die Entwürfe der noch heute modern wirkenden Siedlung an. Über den Kaufpreis kann Maede auf historische Unterlagen verweisen. Danach betrug die Kalkulation für ein modern ausgestattetes Siedlungshaus 25 000 Reichsmark. Die hufeisenförmige Angermannstraße hieß bis 1945 Graf-Schlieffen-Straße. Der seit 1945 gültige Straßenname erinnert an Johann Christian Angermann, einen bildenden Künstler aus dem 18. Jahrhundert.

Dass die Feier zustande kam, ist laut Anwohnerin Dagmar Schrott der Initiative von fünf Familien zu verdanken, die im vergangenen Sommer ein Festkomitee bildeten. In den heutigen 17 Doppel und Einzelhäusern wohnen zirka 60 Personen.

Bis 1994 waren Teile der Siedlung noch von Russen bewohnt und durch eine Mauer abgeschottet. Hier wohnte auch der Kommandant der Potsdamer Garnison. Nach dem Abzug der Russen erhielten Alteigentümer und Erben die Häuser zurück. Als Entschädigung für Abrisse in der Stichstraße im Bornstedter Feld ließ der Entwicklungsträger am Rande der Angermannsiedlung 1999 zwei Häuser im historischen Stil errichten, zwei weitere kamen später hinzu. Günter Schenke

Günter Schenke

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