zum Hauptinhalt

Von Michael Klug: Wo Sumpfschildkröte und Kranich leben

Naturschutzstation in Linum feiert 20. Jubiläum / Rund 150 Naturliebhaber kümmern sich um die Tiere

Stand:

Linum - Manchmal ist Norbert Schneeweiß selbst noch von der Artenvielfalt im Rhinluch bei Linum überrascht. Obwohl der 50-jährige Chef der Naturschutzstation Rhinluch die einzigartige Landschaft mit ihren Teichen und Mooren auswendig kennt, lässt er sich vor allem von Neuankömmlingen immer wieder aufs Neue faszinieren. „Wenn ich auf dem Rhin fahre und absolute Seltenheiten wie Fischotter, Rohrdommeln oder eine Trauerseeschwalbe sehe, bin ich einfach hin und weg“, sagt Schneeweiß. Dass er indes wieder seltene Tiere in der unendlich scheinenden Moorlandschaft beobachten kann, hat er seinem eigenem Engagement und dem von rund 150 Naturliebhabern zu verdanken.

Nach der Wende begannen Schneeweiß und seine Mitstreiter damit, in Linum ehemalige Ackerflächen zu kaufen und die Region vor der Zerschneidung durch Straßen zu bewahren. Am Samstag feierte die Naturschutzstation ihr 20-jähriges Bestehen und die Besucher konnten an den Ergebnissen der Arbeit der Naturschützer teilhaben.

Naturinteressierte werden in die Welt des nassen und wilden Rhinluches entführt. Interessant für Besucher sind immer wieder Kraniche und Kibitze sowie Biberbaue, die angeschaut werden können. Im Mittelpunkt des derzeitigen Programms aber steht die europäische Sumpfschildkröte. „Das ist unser derzeitiges Sorgenkind. Von den schwarz-gelb-gefleckten Reptilien gibt es vielleicht noch 150 Exemplare, außerhalb von Nordbrandenburg und Mecklenburg sind die Tiere sogar ganz ausgestorben“, sagt Schneeweiß.

Damit zum Jubiläum auch jedermann die scheuen Tiere, die in der Naturschutzstation gezüchtet und anschließend ausgewildert werden, zu Gesicht bekommt, haben sich Schneeweiß und seine Mitarbeiter etwas Besonderes ausgedacht. „Mit einer Unterwasserkamera fahren wir den Grund eines Aufzuchtteiches ab und übertragen die Bilder live auf eine Leinwand“, verspricht Schneeweiß eine überaus spannende Schildkrötensuche.

20 Jahre Naturschutz haben neben Flora und Fauna auch das Dorf Linum selbst verändert. Denn während sich zu DDR-Zeiten nur die in der nahen Garnisonstadt Neuruppin stationierten russischen Offiziere für die abertausenden Zugvögel im Rhinluch interessierten und jährlich große Jagden veranstalteten, strömen nunmehr zehntausende Touristen alljährlich zum Kranichzug nach Linum. Und statt mit Schrot wie einst von den Sowjets wird heute nur noch mit Ferngläsern und Teleobjektiven Jagd auf die Tiere gemacht.

Das freut vor allem die Gastronomen und Betreiber von Hofläden entlang der Dorfstraße. „Für uns sind die Störche und die Kraniche eine echte Herausforderung. Besonders zur Zeit der Kranichrast von Ende September bis Mitte November ist bei uns alles bis auf den letzten Platz besetzt“, sagt Christine Hüttig, die mit der „Storchenklause“ eine von insgesamt fünf Gaststätten des Ortes betreibt. Zu ihren Gästen gehören neben Tagesausflüglern aus Berlin und Potsdam vor allem auch Ostseeurlauber auf der Durchreise und Kranichliebhaber. „Manche Touristen bleiben sogar die gesamte Saison“, sagt Hüttig.

Wie viele Touristen sich allein zur Kranichzeit in den kommenden Wochen in dem 700-Seelen-Dorf aufhalten, weiß allerdings niemand genau. Im Dorf mault so mancher, dass auf jeden der rund 70 000 durchziehenden Kraniche wohl ein Tourist kommt.

Michael Klug

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })