INTERVIEW MIT RÜDIGER SCHMOLKE, CHILL OUT E.V.: „Wohlstandsverwahrlosung“
Herr Schmolke, Ihr Verein arbeitet in der Suchtprävention. Sind Sie für ein Verbot von so genannten Flatrate-Sauf-Party?
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Herr Schmolke, Ihr Verein arbeitet in der Suchtprävention. Sind Sie für ein Verbot von so genannten Flatrate-Sauf-Party?
Wir befürworten solche Feiern nicht, klar. Verbieten lassen sie sich wohl kaum. Mit unserer Arbeit wollen wir aber dafür sorgen, dass junge Leute generell gesundheitsverträglich mit sich umgehen, auch wenn sie in Clubs und Bars sind, in denen Verbote nicht greifen.
Das klingt schwierig: Wie lässt sich dieser Anspruch umsetzen?
Es geht darum, dass sich unter Jugendlichen Grundregeln verbreiten. Dabei geht es nicht unbedingt um abstinentes Leben. Aber wer trinken geht, muss zum Beispiel bewusst zwischendrin eine Pause machen und sollte sich auf keinen Fall alleine besaufen. Wichtig ist, dass junge Leute ein Bewusstsein dafür bekommen, was ihr Körper verträgt und was nicht. Da kann übrigens ein einmaliger Vollsuff durchaus gesundheitsförderlich sein, weil ein Kater mit Erbrechen eben unangenehm ist und Grenzen klar macht. Problematisch wird es, wenn das Saufen jedes Wochenende systematisch und als Ritual erfolgt. Dann drohen Schäden, auch weil das Hirn bis zum Alter von etwa 25 Jahren noch in der Entwicklung ist.
Was lässt sich auf Club-Seite tun?
Auch die Clubs müssen sich Regeln setzen und Verantwortung übernehmen. Wir können sie als Verein beraten und wollen dies in Potsdam verstärkt tun. Zum Beispiel sollten Diskos ihren Kunden Leitungswasser kostenlos zur Verfügung stellen. Zudem muss das Personal dafür sensibilisiert werden, dass einem schon Betrunkenen nicht weiter eingeschenkt wird. Wichtig ist auch, dass das so genannte Apfelsaftgesetz eingehalten wird, dass es also ein alkoholfreies Getränk gibt, das weniger als Bier kostet.
Warum betrinken sich Jugendliche überhaupt? Anscheinend scheinen sich die Zahlen ja zu erhöhen.
Es gehörte schon zu allen Zeiten für junge Erwachsene dazu, sich ab und an zu betrinken. Allerdings scheint auch dafür das Maß zum Teil abhanden gekommen zu sein, übrigens immer mehr unabhängig von der Bildung – Sozialwissenschaftler sprechen heute auch von Wohlstandsverwahrlosung: Man betrinkt sich zunehmend aus Langeweile und weniger, um Alltagsnöte zu ertränken. HK
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