Landeshauptstadt: „WohnGut“ will Grenzerkasernen kaufen
Leer stehende Gebäude in der Spitzweggasse ideal für Projekt eines Mehrgenerationenwohnens
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Babelsberg – „Lebensgefahr! Betreten und Befahren verboten!“ Diese bedrohliche Warnung findet sich an einem umzäunten Gelände an der Ecke Rosa-Luxemburg-Straße / Spitzweggasse in Babelsberg. Verfasser der Warnschilder: „Bundesvermögensamt Potsdam“.
Von Wildwuchs schon fast überwuchert, stehen hinter besagtem Zaun zwei gut erhaltene zweistöckige Gebäude wie sie an anderen Stellen in Babelsberg, beispielsweise in der Semmelweisstraße, als Wohngebäude dienen. Einst für die DDR-Grenztruppen gebaut und nach der Wende kurzzeitig vom Arbeitsamt genutzt, stehen die Gebäude seit mehr als zehn Jahren leer. Versuche, die Immobilien in Top-Wohnlage zum Verkehrswert zu veräußern, sollen dem Vernehmen nach bisher gescheitert sein.
Jetzt haben sich ernsthafte Interessenten für die „Grenzerkasernen“ gemeldet. „Für uns wäre dieses Objekt auch wegen der großzügigen Freiflächen ideal“, sagt Michael Koller, der im Vorstand von „WohnGut eG“ ist. Die neue Potsdamer Genossenschaft sucht dringend eine geeignete Immobilie, um ihr Projekt des Mehrgenerationenwohnen zu verwirklichen. Initiatoren sind fünf Familien mit insgesamt elf Kindern. „Keiner von uns ist direkt von Wohnungsnot bedroht“, erklärt Koller. Trotzdem wollten sie das Vorhaben möglichst schnell verwirklichen. „Wir wollen eine Vorbildwirkung erzielen“, sagt er zu dem Plan, mit mehreren Generationen unter einem Dach beziehungsweise in enger Nachbarschaft zu leben. Das Objekt in der Spitzweggasse sei nach erstem Augenschein in gutem Zustand. Es sei trocken, die Bausubstanz mit relativ geringem Aufwand in einen modernen Stand zu versetzen. Hier ließen sich 50 bis 120 Quadratmeter große Wohnungen einrichten und darüber hinaus eine größere für eine Wohngemeinschaft.
Die eingetragene Genossenschaft hat einen Architekten bei der Hand und mit der Gemeinschaftsbank für Leihen und Schenken (GLS) ein Geldinstitut, welches das Wohnprojekt finanziell fördern würde. „Das Finanzierungsmodell steht“, sagt Reyko Schachtschneider, der für diesen Bereich in der Genossenschaft zuständig ist. Vorgesehen seien Baukosten, die am Ende nicht mehr als sechs Euro Miete pro Quadratmeter und Betriebskosten von höchstens 1,20 Euro ergeben. „Wir wollen in der Gemeinschaft kostengünstiger und zugleich mit höherer Lebensqualität wohnen“, nennt Schachtschneider einen Aspekt. Und: „Wir wollen wissen, wo unser Geld hingeht.“
„WohnGut“ steht derzeit in Verhandlungen sowohl mit der Nachfolgeeinrichtung des Bundesvermögensamtes als auch mit dem städtischen Fachbereich Stadtplanung und Bauordnung. Bisher ohne Ergebnis. Fachbereichsleiter Andreas Goetzmann scheint dem Vorhaben gegenüber positiv eingestellt zu sein und findet das inhaltliche Konzept „ausgesprochen förderwürdig, nicht zuletzt mit Blick auf die erheblichen demografischen Veränderungen, die unsere Gesellschaft im nächsten Jahrzehnt zu verzeichnen hat.“ Positiv sehen das laut Koller auch die Stadtfraktionen von PDS, SPD, CDU, Bürgerbündnis/FDP. Bündnis 90 / Die Grünen und Die Andere.
Stadtplanungschef Andreas Goetzmann bestätigt auf Anfrage, dass er derzeit „intensive Gespräche“ mit den Beteiligten führt. „Die Gespräche sind auch deshalb so intensiv, weil das Vorhaben sich nicht ohne Weiteres mit den Festsetzungen des Bebauungsplanes deckt, der für das Grundstück an der Spitzweggasse gilt“, so Goetzmann. Danach darf ein Investor die Kasernen abreißen und drei umgebungsübliche Stadtvillen errichten. Nach dem Baurecht ist jedoch ein Abriss nicht zwingend. Der Planungschef wollte sich auf Nachfrage zu Lösungsmöglichkeiten außerhalb eines Abrisses und Neubaus jedoch nicht äußern. Zur Frage einer Änderung des Bebauungsplanes gibt er ebenfalls keine Auskunft. Derzeit lägen keine Ergebnisse der Gespräche auf dem Tisch, nennt er als Grund. „Die Gespräche und Überlegungen laufen.“
Günter Schenke
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