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Von Guido Berg: Wohnungsmarkt „radikal“ angespannt

In Potsdam müssten 1200 Wohnungen jährlich neu entstehen – 2008 waren es jedoch nur 372

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Nach einem durch Überfluss geprägten Potsdamer Wohnungsmarkt in den 1990er Jahren geht die Landeshauptstadt nun „radikal den Weg in einen angespannten Markt“. Wie Stadtplanungschef Andreas Goetzmann und Sozialbereichsleiter Andreas Ernst gestern bei der Vorstellung des Wohnungsmarktberichtes 2008 und des „Stadtentwicklungskonzepts Wohnen“ vor Journalisten schilderten, spitzt sich die Situation vor dem Hintergrund steigender Zuzugszahlen mehr und mehr zu. 2008 hat sich die Einwohnerzahl im Vergleich zum Vorjahr um 2038 Einwohner erhöht. Damit fällt der Zuwachs von 2007 zu 2008 noch höher aus, als der von 2006 zu 2007, als die Zahl der Potsdamer um 1971 stieg. Zum Stichtag 31. Dezember 2008 hatte Potsdam 151 725 Einwohner. Prognosen zufolge werden es im Jahr 2020 etwa 164 000 Einwohner sein. Potsdam, erklärte Ernst, zählt somit zu den wenigen Wachstumszentren der Bundesrepublik.

Nachteil dieser „positiven Nachricht“ sei ein „verstärkter Druck auf dem Wohnungsmarkt“. Entstanden sei ein Verdrängungsprozess zuungunsten sozial schwacher Einwohner. Die Leerstandsquote mache die Dramatik deutlich: Sie beträgt formal 2,4 Prozent. Bereinigt durch Abzug der nicht vermietbaren Wohnungen – weil sie etwa kurz vor einer Sanierung stehen – beträgt die Quote real sogar ganze 1,1 Prozent. Damit jeder, der eine Wohnung sucht, auch noch eine Auswahl hat und nicht nehmen muss, was er kriegt, sei eine Leerstandsquote von mindestens drei Prozent notwendig, ergänzte Goetzmann. Die Folge der Wohnungsknappheit seien Mietpreise, „die vor vier oder fünf Jahren noch nicht realisierbar waren“, sagte Hans-Joachim Böttche, Bereichsleiter Wohnen. Goetzmann: „Je knapper das Angebot, um so höher die Mieten.“ Zumindestens in der Vergangenheit reagierte der Markt zurückhaltend auf die Übernachfrage nach Wohnraum: Prognosen zufolge müssten zur Nachfragedeckung bis 2015 jährlich 1200 Wohnungen gebaut werden. Tatsächlich aber stieg die Anzahl der Wohnungen in Potsdam 2008 lediglich um 372 auf nunmehr 81 843 Wohnungen an. Damit liegt die Zahl der neuen Wohnungen 2008 noch um ein Drittel niedriger als 2007. Allerdings berechtigte das gegenwärtige Jahr zu Hoffnungen: So würden bis Ende des Jahres allein am Hauptbahnhof – durch die Firma Semmelhaack auf dem ehemaligen Reichsbahnausbesserungswerk (RAW) – über 600 Wohnungen fertiggestellt. Auch steige die Zahl der erteilten Baugenehmigungen stetig an, von 512 im Jahr 2006, 964 im Jahr 2007 auf 1210 im vergangenen Jahr. Goetzmann: Der Markt reagiert, wenn auch mit einer Verzögerung von drei Jahren.

Allerdings werde durch den privaten Wohnungsbau kaum preiswerter Wohnraum entstehen, erklärte Goetzmann. Selbst bei spartanischer Ausstattung und geringer Rendite könne der Mietpreis in Potsdam aufgrund der Grundstückspreise nicht unter 7 bis 7,50 Euro pro Quadratmeter sinken. Zum Vergleich: Laut Mietspiegel lag der Preis für eine durchschnittliche 65-Quadratmeter-Wohnung 2006 bei 4,73 Euro pro Quadratmeter, 2008 waren es 4,86 Euro.

Vorstellungen darüber, wie die Stadt in den Wohnungsmarkt eingreifen könne, gibt es wenige: „Wir sind derzeit bei der Diagnose, nicht bei der Therapie“, so Goetzmann. Die Stadt hoffe auf Fördergelder in Nischenbereichen wie Wohnen für ältere Menschen oder Modellprojekten wie die Gartenstadt Drewitz. Dass die Stadt Bauland ankauft, um sie Investoren kostengünstig anzubieten, sei mit Rücksicht auf den defizitären Potsdamer Haushalt derzeit nicht denkbar.

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