Aus dem GERICHTSSAAL: Wohnungstür aus Wut eingetreten
Zwei Wochen Arrest für jungen Obdachlosen
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Die offensichtliche Faulheit von Paul P. (20, Name geändert) bringt die Jugendrichterin so richtig auf die Palme. Am Schluss der Verhandlung geht sie noch über den Antrag des Staatsanwalts hinaus. Der hatte dafür plädiert, den jungen Obdachlosen wegen Sachbeschädigung zu einem Freizeitarrest (ein Wochenende) sowie 60 Arbeitsstunden zu verurteilen. Weil Paul P. in der Nacht des 10. August 2005 aus Wut eine Wohnungstür in der Neuendorfer Straße eintrat, muss er nun für zwei Wochen in den Jugendarrest. Die 60 Sozialstunden hat er binnen zwei Monaten bei „Maulwurf“ e. V. abzuleisten. In diese Sanktion wurde eine Entscheidung des Jugendgerichts vom 19. Januar 2006 einbezogen. Bei jener Verhandlung wurde Paul P. wegen Diebstahls und Sachbeschädigung zu einem Freizeitarrest und 30 Stunden gemeinnütziger Arbeit verurteilt.
Doch der Sonderschulabgänger sah weder die Arrestzelle von innen noch machte er sich die Finger bei irgend welchen Arbeiten schmutzig. „Ich hatte keine Motivation“, erklärt er lässig. „Noch heute rufe ich bei „Maulwurf“ an und melde Sie an, betont die Vorsitzende. „Falls Sie dann trotzdem nicht erscheinen, kommen noch vier Wochen Ungehorsamsarrest dazu.“
Paul P. – er brach ein berufsvorbereitendes Jahr wegen angeblichen Mobbings nach wenigen Monaten ab, verlor seine Wohnung durch Mietschulden – gibt freimütig zu, den lieben langen Tag im Obdachlosenheim am Lerchensteig herumzuhängen und fernzusehen. Manchmal besuche er allerdings auch seine Pflegeeltern. Aus Angst vor den bohrenden Fragen seiner Betreuerin, welche Bemühungen er unternommen habe, sein Leben zu ordnen, schwänzt er die Termine. Seit drei Monaten holte er sein Kindergeld bei ihr nicht mehr ab, verpflegt sich durch die Potsdamer Tafel. Die gerichtlich angeordnete Begutachtung durch einen Psychologen auf eventuelle verminderte Schuldfähigkeit bzw. Schuldunfähigkeit ignorierte Paul P. geflissentlich.
„Sie wissen sehr genau, was Sie tun“, glaubt die Jugendrichterin. „Sie wollen renitent sein und sich nicht einordnen. Sie haben nicht das mindeste Unrechtsbewusstsein. Aber wir lassen uns von Ihnen nicht länger an der Nase herumführen.“ Der Staatsanwalt hakt nach: „Wie soll es mit Ihnen weitergehen?“ Paul P. nuschelt, er wolle sich mit einem Kumpel eine eigene Wohnung suchen. Die Miete werde ja der Staat bezahlen, da er Hartz-IV beantragen werde. Irgendwann wolle er eine Ausbildung beginnen, vielleicht zum Maler oder zum Tischler. „Tischler ist gut“, wirft der Vertreter der Anklage ein. „Dann können Sie die Türen, die sie aus Frust kaputt treten, künftig selbst reparieren.“Hoga
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