Landeshauptstadt: Wortkunst an die Jugend weitergeben
Internationaler Märchenkongress gestern offiziell eröffnet / Lange Nacht der Märchen am Samstag für alle
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Internationaler Märchenkongress gestern offiziell eröffnet / Lange Nacht der Märchen am Samstag für alle Von Linda Könnecke Ob im Fernsehen oder den Zeitungen – die heutige Welt ist sehr visuell geprägt. Da bleibt die eigene Fantasie meist außen vor. Selbst Eltern finden kaum noch die Zeit, dem Nachwuchs am Bettchen spannende Geschichten zu erzählen. Dabei bieten gerade die traditonellen Märchen die Möglichkeit, für einige Stunden in ferne Welten abzutauchen. Mit seinen vielen historischen Schlössern hat Potsdam schon etwas Märchenhaftes, dachte sich die Europäische Märchengesellschaft und beschloss, ihren Internationalen Märchenkongress dieses Jahr vom 24. bis zum 28. September an der Havel stattfinden zu lassen. Doch neben ausführlichen Vorträgen zum Thema „Traumhaus und Wolkenschloss“, bei denen Räumlichkeiten in Märchen von rund 500 Wissenschaftlern, Pädagogen und Erzählern diskutiert werden, präsentiert die Europäische Märchengesellschaft an den fünf Tagen viel Kultur. „So ein umfangreiches Begleitprogramm, wie hier in Potsdam, ist selbst für uns recht ungewöhnlich,“ stellt Dr. Heinrich Dickerhoff, Präsident der Europäischen Märchengesellschaft, fest. Ganze 21 Potsdamer Kultureinrichtungen haben sich zum Kongress in so genannte „Märchenorte“ verwandelt und bieten ein umfangreiches Märchenprogramm an. Während an den ersten Tagen vor allem Schulklassen eingeladen sind, den Geschichten extra angereister Erzähler zu lauschen, ist bei der „Langen Nacht der Märchen“ am kommenden Samstag auch die Öffentlichkeit angesprochen. „Fast alle Veranstaltungen sind kostenlos, so dass unsere Märchen hoffentlich die Familien erreichen werden,“ erklärt Mitorganisatorin Herta Künzel das Konzept. „Für die Erwachsenen gibt es ab 20 Uhr natürlich ein anderes Niveau mit erotischen Märchen und Ähnlichem.“ Dazu kommen zahlreiche Kunstausstellungen, die sich thematisch am Kongress orientieren. „Wer Märchen liebt, wird von Programm begeistert sein,“ versichert Künzel. „Nach insgesamt zwei Jahren Vorbereitungszeit sind wir alle stolz auf das Ergebnis.“ Und auch Jutta Limbach, Schirmherrin der Veranstaltung, steht mit Enthusiasmus hinter dem Projekt. „Märchen gehörten schon immer zu meinem Leben, ich bin ja selbst Mutter und habe oft Geschichten vorlesen müssen,“ erinnert sich Limbach zurück. Überhaupt seien gerade die nationalen Volksmärchen faszinierend, da ein Großteil des heutigen deutschen Wortschatzes mit Wendungen wie „Dir ist wohl eine Maus über die Leber gelaufen“, diesen alten Erzählungen entstammt. Dabei ist das Erzählen von Märchen eine Kunst an sich. Die Fähigkeit, Geschichten authentisch und zugleich spannend wiederzugeben, so Dickerhoff, müsse selbst der Sprachgewandteste erlernen. „Deshalb finde ich es gerade schön, dass bei unserem Kongress Wissenschaftler und Erzähler zusammentreffen und sich über die Märchen austauschen. Erst dadurch gelangt man zu wahren Erkenntnissen.“ Er selbst wird in der „Langen Nacht“ davon erzählen, dass „hinter dem Himmel die Märchen schlafen“. Doch auch die anderen 48 eingeladenen Märchenerzähler aus dem deutschsprachigen Raum werden unter anderem von verzauberten Schlössern berichten und dabei ihre Wortkunst zum Besten geben. Und doch: der beste Märchenonkel kommt dieses Jahr nicht aus Deutschland. Denn gestern Abend wurde der Österreicher Helmut Wittmann mit dem „Gertrud-Hempel-Volkserzählerpreis 2003“ ausgezeichnet. Eine Kostprobe seines Könnens gibt er am Samstag um 18 Uhr bei der Langen Märchennacht im Belvedere auf dem Pfingstberg.
Linda Könnecke
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