Landeshauptstadt: Zahn der Zeit nagt an Weberhäusern „Sorgenkinder“ der Potsdamer Denkmalbehörde sollen gerettet werden: Auflagen gelockert
Babelsberg - „Nu wer weeß.“ Das soll der Alte Fritz gesagt haben, als ihn ein Untergebener fragte, wie denn das neue Stadtgebiet heißen soll.
Stand:
Babelsberg - „Nu wer weeß.“ Das soll der Alte Fritz gesagt haben, als ihn ein Untergebener fragte, wie denn das neue Stadtgebiet heißen soll. So sagt der Volksmund. Was jedes Kind in Potsdam weiß: Nowawes, das Vorzeige-Wohngebiet von Babelsberg, hat seinen Namen aus dem Tschechischen und bedeutet „Neuendorf“. Die Potsdamer Denkmalbehörde hat so ihre liebe Not mit den Zeitzeugen der Besiedlung durch böhmische Handwerker, den historischen Weberhäusern. Die letzten dieser Gebäude, – einst unter der Regie Friedrich II. extra für seine Tuchmacher errichtet – sind vom Verfall bedroht. 210 Typenhäuser „einerlei Gestalt“ ließ der preußische König Mitte des 18. Jahrhunderts für die „importierten“ Weber und Spinner errichten. Etwa die Hälfte von ihnen fiel im Laufe der Jahre Industrialisierung, Verstädterung und DDR-Plattenbau-Politik zum Opfer. Etwa 50 der übrig gebliebenen Fachwerk-Bauten sind heute saniert, als Läden, Wohnungen oder Kindergärten ausgebaut. An manchen der historischen Kleinode hingegen nagt erbarmungslos der Zahn der Zeit. „Acht der Weberhäuser sind unsere absolute Sorgenkinder“, sagt Sabine Ambrosius. Die Potsdamer Denkmalpflegerin steht in der Babelsberger Karl-Liebknecht-Straße und schaut unter die löchrige Dachrinne eines Hauses, wo die verrotteten Enden der Deckenbalken sichtbar sind. „Manche der Hölzer kann man schon mit der Hand zerbröseln“, sagt Ambrosius. Und was sie ungern zugibt: Um die restliche Substanz des Gebäudes ist es genauso bestellt. Der Potsdamer Stadtverwaltung liegt viel daran, die letzten unsanierten Kleinode des berühmten Stadtteils zu retten. Um sie vor dem Verfall zu retten, schafft die Stadt Anreize. „Für solch ein Haus muss man praktisch nichts mehr bezahlen“, wirbt die Denkmalpflegerin. Von einem Restwert zu sprechen, sei illusorisch. In Einzelfällen werden die Bauherren sogar mit hohen Fördersummen für die Hülle des Hauses gelockt. „Und die Kosten für die Denkmalsanierung kann man steuerlich voll abschreiben“, sagt Ambrosius. Die andere Seite der Medaille: teure Grundstückspreise und die Auflagen des Denkmalamtes. Doch die Verwaltung hat mittlerweile die Zügel gelockert. Was noch kurz nach der Wende undenkbar war, ist heute möglich. „Bei den Zugeständnissen geht es vor allem um die Lichtverhältnisse in den Häusern“, erläutert Ulrike Schenke, Architektin beim treuhänderischen Sanierungsträger „Stadtkontor“. Die Behörde genehmigt jetzt Gauben in den Dächern, First-Verglasung oder große Terrassentüren zur Hofseite. „Damit kommt man dem Bauherren entgegen und rettet gleichzeitig historische Substanz für die späteren Generationen“, sagt Schenke. Trotzdem: Wer sich ein Herz fasst, um ein Weberhaus aufzumöbeln, müsse mit 1000 bis 1500 Euro rechnen, sagt Denkmal-Pflegerin Ambrosius. Und zwar pro Quadratmeter Wohnfläche. Dass mit dem Verkauf der einzigartigen Weberhäuser automatisch die Sanierung ansteht, war allerdings schon öfter ein Trugschluss, wie sie feststellen musste. „Manche Bauherren stellen neben das Weberhaus einen Neubau und lassen das Denkmal weiter verfallen.“ Wer sich für eines der Weberhäuser interessiert, kann sich beim Stadtkontor unter der Telefonnummer (0331)74 35 70 informieren.
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: