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Aus dem GERICHTSSAAL: Zahnarzt hatte Angst vor einem Patienten

Gericht: Einsatz des Pfeffersprays war eine Überreaktion/ Verfahren wurde dennoch eingestellt

Stand:

Wer zum Zahnarzt muss, verspürt oft Angst. Das ist normal. Ungewöhnlich hingegen ist, dass der Dentist weiche Knie wegen eines Patienten bekommt. Als Ugur U.* (41) am 29. November 2008 gegen 23.30 Uhr schmerzgeplagt in der Praxis von Dr. Dietmar D.* in der Innenstadt auftauchte, soll er die dringend gebotene Behandlung allerdings abgelehnt, dem Zahnarzt stattdessen angekündigt haben, ihn „an die Wand zu klatschen“ und „platt zu machen“. Der Mediziner – er hatte Bereitschaftsdienst und war allein in seinen Räumen – nahm die Drohung des schwergewichtigen Mannes, der in Begleitung einer nicht weniger korpulenten Dame erschienen war, ernst. Er verwies ihn der Praxis. Daraufhin soll Ugur U. den Arzt geschubst haben. „Ich habe mich nur verteidigt“, versicherte Dr. Dietmar D. (51) gestern vor Gericht.

Die Anklage wirft dem Mediziner allerdings vor, er habe den Schmerzpatienten mit der Faust ins Gesicht geschlagen, mit dem Fuß in den Bauch getreten, den am Boden Liegenden mit Pfefferspray malträtiert. Belastungszeuge Ugur U. – er ist in Neuruppin gemeldet – zog es vor, der Verhandlung „wegen Glatteis“ fernzubleiben. Seine Freundin, die ihn damals zum Arzt begleitete, entschuldigte sich mit der Erkrankung ihres Kindes von der Zeugenpflicht. Amtsrichterin Birgit von Bülow schickte eine Polizeistreife zur Wohnung der Frau in der Waldstadt, wo sie den Mann vermutete. Doch auf das Klingeln der Beamten öffnete niemand.

„Der Patient hatte mehrere defekte Zähne. Einer war locker. Der war auch für den Schmerz verantwortlich“, berichtete der Arzt zu Prozessbeginn. Als er ihm offenbarte, der Zahn müsse raus, deshalb würde er ihm jetzt eine Betäubungsspritze geben, sei Ugur U. wild geworden. „Seine Begleiterin sagte, er wird bei Spritzen immer ohnmächtig. Das wollte ich nicht riskieren. Deshalb habe ich die Behandlung für beendet erklärt“, so Dr. Dietmar D. „Da ist der Mann auf mich losgegangen. So etwas ist mir in den 25 Jahren meiner Tätigkeit noch nicht passiert. Ich kann mich erinnern, ihm zwei oder drei Kniestöße in den Bauch versetzt zu haben, um ihn abzuwehren. Der Patient ist auch gestürzt. Ich wollte bloß noch raus aus dem Behandlungszimmer. Zur Sicherheit habe ich einen Sprühstoß mit dem Pfefferspray abgegeben, aber nur in Richtung seines Hinterkopfes.“

„Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass es genauso war, wie es Herr Dr. D. erzählt hat. Man hat so eine Situation nicht geübt“, resümiert die Richterin. „Der Einsatz des Reizgases war allerdings eine Überreaktion.“ Trotzdem müsse der Arzt nicht verurteilt werden, konstatiert sie und stellt das Verfahren wegen geringer Schuld ein. (*Namen geändert.) Hoga

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