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Aus dem GERICHTSSAAL: Zeichen gesetzt

Bis zu fünf Jahre Haft für Täter von Tram-Überfall

Stand:

„Zwei Zuschauerplätze sind noch frei“, rief der Justizbedienstete seinem Kollegen vor der Tür zu. Aufgeregt nahmen zwei junge Frauen im Verhandlungssaal Platz, suchten sofort Blickkontakt zu denjenigen Angeklagten, mit denen sie offensichtlich befreundet sind. Die schauten zurück, allerdings unsicherer als an den vergangenen 13 Verhandlungstagen.

Wenig später verkündete der Vorsitzende der 1. Großen Strafkammer des Landgerichts, Frank Tiemann, das Urteil im so genannten Tram-Prozess. Fünf Jahre soll der stadtbekannte Rechtsextreme Marcus Sch. wegen der Beteiligung an dem brutalen Überfall auf den Antifa-Aktivisten Tamás B. und seinen unpolitischen Begleiter Christoph B. in der Nacht des 3. Juli 2005 hinter Gitter. Sein Gesinnungsgenosse Oliver K., der in Höhe der Bäckerei Braune die Notbremse der Straßenbahn zog und nach Ansicht der Kammer als Initiator des Übergriffs gilt, wurde zu viereinhalb Jahren verurteilt. Das gleiche Strafmaß verhängte das Gericht über Daniel K. Der Berliner Rechte Oliver O. – er trat mehrfach gegen den Kopf des bewusstlos am Boden liegenden Tamás B. – erhielt eine Haftstrafe von vier Jahren. Sein Kumpel Michael G. soll nach dem Willen der Kammer für drei Jahre und neun Monate in Gefängnis. Marcell Sch. aus Berlin hatte am vierten Verhandlungstag als Einziger der Angeklagten seine Tatbeteiligung gestanden. Er wurde zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt, die zur Bewährung ausgesetzt wurde.

„Marcell Sch. hat bereits zu einem sehr frühen Zeitpunkt des Ermittlungsverfahrens ein Geständnis abgelegt. Er wurde deshalb bedroht und hat auch künftig mit Repressalien zu rechnen“, sagte der Kammervorsitzende in seiner eineinhalbstündigen Urteilsbegründung. „Er hat aber auch ein deutliches Zeichen gesetzt und sich von der rechten Szene abgewandt.“ Marcus Sch. hingegen – mit 32 Jahren der weitaus Älteste der Angeklagten – sei einer der heißesten Kandidaten für Sicherungsverwahrung im Land Brandenburg, wenn er weitermache wie bisher. „Er ist 20-fach vorbestraft. Zur Tatzeit stand er unter zweifacher Bewährung“ , so Tiemann. Die Angeklagten hätten mit Verletzungsvorsatz gehandelt, nicht allerdings, um zu töten. Deshalb laute das Urteil auf gefährliche Körperverletzung in zwei Fällen.

Die Anklage ging ursprünglich von versuchtem Mord aus. Die Rechtsmedizinerin hatte in ihrem Gutachten jedoch betont, Schläge und Tritte seien nicht so gravierend gewesen, dass die Opfer daran hätten sterben können. Anders sähe es bei dem Stich mit der abgebrochenen Bierflasche aus, der Christoph B. in gefährlicher Nähe der Halsschlagader traf. „Da er offenbar nach dem Kommando ,Abmarsch der Clique erfolgte, ist er nicht mehr von dem gemeinsamen Tatentschluss gedeckt. Es spricht viel dafür, dass Oliver K. der Täter war. Beweisen kann man es aber nicht“, führte der Vorsitzende aus. Die Kammer habe die Strafen auch unter generalpräventiven Gesichtspunkten ausgesprochen, so Tiemann. Gerade im Vorjahr hätten sich Auseinandersetzungen zwischen Rechten und Linken in der Stadt gehäuft. Hoga

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