Potsdam: Zeit der sterbenden Bäume
Bauprojekten gehen umfangreiche Fällungen an der Humboldtbrücke, der Alten Fahrt und an der Großbeerenstraße voraus
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Potsdam - Derzeit sind in Potsdam Baumfällungen in großem Umfang im Gange. Grund sind Bauprojekte, die nach Ende der Frostperiode in diesem und im nächsten Jahr in Angriff genommen werden. So kündigte die Stadt Potsdam in Vorbereitung der weiteren Sanierung der Humboldtbrücke sowie dem Bau eines Radweges an der Nutheschnellstraße die Fällung von nicht weniger als 900 Bäumen an. „Mit Erstaunen und Entsetzen“, nahm der Naturschutzbund Deutschland (Nabu) diese Nachricht auf. Gleich ein ganzer Wald weicht derzeit der Motorsäge am ehemaligen „Sanatorium Dr. Sinn“ an der Großbeerenstraße in Babelsberg. Auch an der Alten Fahrt fallen die Bäume. Dort beginnen ab Mai archäologische Grabungen im Vorfeld der Neubebauung gemäß Leitbautenkonzept. Vorgesehen ist unter anderem die Rekonstruktion des Palastes Barberini.
Ein Vor-Ort-Gespräch an der Humboldtbrücke stimmte Nabu-Mitarbeiter Wolfgang Ewert am Montag versöhnlicher. Die Stadt habe lediglich eine „schwache Kommunikation“ und eine „mangelnde Einbeziehung“ der Naturschutzverbände an den Tag gelegt. Tatsächlich würden an der Humboldtbrücke nur 540 Bäume gefällt. 350 Bäume seien als Ausgleich schon an anderer Stelle neu gepflanzt worden. Axel Heinzel-Berndt vom Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) kritisiert, dass die Stadt mit einer Ausnahmegenehmigung nicht nur bis zum 1. März, dem Beginn der Wachstumsperiode, sondern bis zum 15. März fällen wird. Das sei zwar „naturwissenschaftlich vertretbar“, weil die Vögel vorher nicht brüten, doch da die Plangenehmigung für die Humboldtbrücke seit langem vorliegt, hätte die Stadt die Baumfällfrist gemäß Bundesnaturschutzgesetz auch problemlos einhalten können. „Das ist schlechtes Verwaltungshandeln“, sagt Heinzel-Berndt, zumal auch der Naturschutzbeirat nicht informiert worden sei. Gleichsam lobte der Naturschutzreferent die Erläuterungen des städtischen Brücken-Verantwortlichen Norbert Praetzel. Letztlich, sagt Heinzel-Berndt, bleiben Baumfällungen „bei dem Projektumfang nicht aus“.
„Hunderte Bäume“ werden derzeit an der Großbeerenstraße gefällt, informierte ein besorgter Anwohner die PNN. Es handelt sich um das denkmalgeschützte Areal eines ehemaligen Sanatoriums, das von der Firma Kirsch & Drechsler entwickelt wird. Die Geschichte des Ortes begann 1905, als der Nervenarzt Dr. Richard Sinn das mit Wald bewachsene Grundstück erwarb, um darauf ein privates Sanatorium für Patienten aus den „gebildeten Ständen“ zu errichten.
40 Wohnungen sollen nun 2013 in dem ehemaligen Lazarettgebäude entstehen. Ferner sollen 16 Einfamilienhäuser errichtet werden. Wie Investor Wolfhard Kirsch den PNN gestern sagte, wird zudem ein öffentlicher Fußweg von der Ziolkowskistraße quer durch einen wiederentstehenden Park bis hin zur Großbeerenstraße angelegt. „Damit entsprechen wir einem großen Wunsch der Stadt Potsdam“, so Kirsch. Allein für die Sanierung der Bestandgebäude werden 13 Millionen Euro investiert, sagte Kirsch. Bei dem in Rodung befindlichen Wald handelt es sich Kirsch zufolge um einen Nutzwald, der laut Waldgesetz gerodet werden darf. „Das Bundesforstamt West-Brandenburg beaufsichtigt das“, erklärte Kirsch, der auch für das Bürgerbündnis in der Stadtverordnetenversammlung sitzt.
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