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Landeshauptstadt: Zeitkapseln im Goldkreuz

St. Nikolai als Vorbild: Die Gemeinde St. Peter und Paul füllt Turmkreuz mit Nachrichten für die Zukunft

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Innenstadt - Es war für Klaus-Günter Müller „erschütternd, über das Zeitdokument aus der Nikolaikirche zu lesen“. Die evangelische Nikolaigemeinde hatte Ende August aus einer 1962 im Kuppelkreuz deponierten Kassette eine Liste mit Namen von Kirchenmitgliedern geborgen, die nach dem Mauerbau 1961 verhaftet worden waren. Da nun die Sanierung des Kirchturms von St. Peter und Paul kurz vor der Vollendung steht und auch das Turmkreuz überm Bassinplatz neuen Glanz erhalten soll, war dem Propst der katholischen Gemeinde sofort klar: „Auch wir müssen etwas in unsere Kuppel legen.“

So füllten Propst Müller und Kaplan Michael Wiesböck gestern zwei von Willi Ludwig angefertigte Kupferzylinder mit Euromünzen, Bauberichten, aktuellen Zeitungen und Statistiken, die den Zuwachs der Gemeinde verdeutlichen sowie „die Enzyklika unseres Papstes“. Dass Benedikt XVI. gerade in Deutschland ist, „bewegt uns sehr“, so Propst Müller, der das Befüllen der Kartuschen mit den Worten begleitete: „Gott segne jeden, der diese Zeugnisse liest.“

Nach dem langen Aufstieg mit dem Baukran erklimmt Propst Müller recht behende die Gerüsttreppen, die zum Turmkreuz hinauf führen. Der Kaplan befördert dabei die Kapseln auf die Höhe von 66 Meter über Grund.

Die letzte Sanierung der Turmspitze erfolgte in den 80iger Jahren. Die Füße zahlloser dort oben landender Krähen haben die goldene Kugel völlig zerkratzt. In ihrem Innern war weder damals noch heute eine Botschaft aus vergangenen Tagen zu finden. „Mir ist nichts bekannt“, so Propst Müller. „Es ist ungewöhnlich, dass nichts drin war“, sagt auch Eberhard Lange, der Architekt der Turmsanierung, „denn da legt man schon gern etwas rein“.

Nun soll die Zukunft soll nicht ohne Nachricht aus dem Heute sein: Die Bauarbeiter Rainhardt Ahlert, Andreas Proschart und Hans Türnagel umwickeln die kupfernen Zeitkapseln mit isoliertem Draht und lassen sie am Draht hängend ins Innere der goldenen Kreuzkugel hinab. Dann befestigen sie die Drähte am oberen Rand der Kugel. Derweil berichtet Architekt Lange, dass die Turmspitze aus 18 000 einzelnen Ziegeln aufgemauert wurde. 2000 von diesen Ziegeln mussten erneuert werden. Zudem hatte die Granitspitze einen 30 Zentimeter langen Riss. Der im Innern der Turmspitze verlaufende Stahlmast war verrostet. „Das Aufrosten des Materials hatte eine solche Kraft, dass der Granit aufsprengte“, erklärte Lange.

Der neue Mast ist aus rostfreiem Stahl. „Wir hoffen, dass wir es nicht erleben, dass die Kugel wieder aufgemacht wird“, sagt Propst Müller. Mindestens 40 Jahre müsse das wiederaufgerichtete neue Kreuz halten, das – befüllt mit dem Inhalt – nun wieder neu vergoldet wird. Indes verrichten die Bauleute Schwerstarbeit, um das Kuppelkreuz auf die Verankerung zu montieren. Es gelingt nicht, ein Flaschenzug muss her.

Doch der Propst ist zufrieden. Während der Fahrstuhl schon die ersten Zeugen der Zeremonie herabfährt, zündet er sich hoch über der Stadt eine „Brasil“ an. Das mache er am Bergkreuz auch so, beim Wandern im Gebirge. Guido Berg

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