MEINE Woche: Zeitlos

Keine Zeit! Ich habe einfach zu wenig Zeit. Zumindest für die Sachen, die ich machen möchte. Und deren Anzahl wächst proportional zum immer kürzer werdenden Zeitraum, der mir noch bis zur Abgabe meiner Diplomarbeit bleibt. Die handelt von europäischer Konstruktion einer afrikanischen Kunstgeschichte, dem kolonialen Blick auf fremde Kunst also. Das Problem: Je mehr ich lese, umso stärker wird das Gefühl, dass ich nichts weiß. Ich schließe also keine Wissenslücken, sondern schaffe mir nur immer neue.

Ich brauche dringend eine Pause, Ablenkung, und die findet sich in solchen Augenblicken allerorten. Das fängt beim Frühstück mit meinem Mitbewohner an, das jeden morgen wieder in ausgedehntem Zeitungslesen ausartet. Das Zeitgeschehen darf ich ja trotz Diplomarbeit nicht an mir vorbeiziehen lassen. Mit schlechtem Gewissen ignoriere ich dann das klingelnde Telefon, sonst komme ich ja nie mehr in die Bibliothek. Dort allerdings muss ich beispielsweise kichernde Lerngruppen an Nachbartischen ignorieren. Wenn das nicht klappt, hole ich mir Kaffee Es ist ein stets wiederkehrendes Schema, täglich grüßt das Murmeltier: duschen, Zeitung lesen, Bibliothek, wieder keine Zeit für Sport.

Erst der vergangene Freitagabend tanzte etwas aus der Reihe, diesmal stand nicht Kleinkunst, sondern echte Kultur auf dem Programm. Mit meinem Freund war ich im Deutschen Theater: Alice im Wunderland. Der erste Satz war Programm. Keine Zeit rief das Kaninchen und zerriss sich auf der Bühne zwischen 5-Uhr-Tee und ewigem Zuspätkommen. Solche Erlebnisse beweisen mir: Ich lebe in einer Parallelwelt und bis zur Abgabe meiner Arbeit werde ich mich wohl nicht nur mit den Mythen der afrikanischen Kunst, sondern auch noch mit Momos zeitvernichtenden grauen Männern herumschlagen müssen.

Ariane Lemme ist 27 Jahre alt. Sie wohnt in Potsdam und studiert Kulturarbeit an der Fachhochschule