Landeshauptstadt: Zeitreisende
Tanztheater und Lebenserinnerungen: Jugendliche und Senioren trafen sich gestern im Treffpunkt Freizeit
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Nauener Vorstadt – Das Publikum klatschte bereits, als die vier jungen Damen mit Zylinder und superkurzem Paillettenkleidchen nur die Bühne betraten. Dabei hatte die rasante Reise durch die 20er, 40er, 50er, 60er, 70er und 80er Jahre gerade erst begonnen: Jugendliche des Jugendmusiktheaters im Malteser Treffpunkt Freizeit spielten, sangen und tanzten sich gestern Nachmittag durchs vergangene Jahrhundert in einer Kurzfassung ihres Teeniemusicals „Centuryland“. Dieses Mal allerdings vor einem „Experten-Publikum“: Denn die etwa 30 Gäste, unter ihnen der 103-jährige Wilhelm Hamann, haben die Zeitreise, die auf der Bühne geboten wurde, selbst miterlebt. Die Senioren revanchierten sich nach der Aufführung mit Erzählungen aus ihrem Leben. Bei Kaffee und Kuchen berichtete zum Beispiel Hamann, der älteste Mann Potsdams, gut aufgelegt von „einem der schönsten Tage meines Lebens“: Seine Erzählung aus der Nachkriegszeit begann er mit seiner Heimkehr aus der russischen Kriegsgefangenschaft.
Eingeladen zum generationsübergreifenden Zeitreise-Nachmittag hatte der Seniorenbeirat der Stadt Potsdam. Die Veranstaltung gehörte zum Rahmenprogramm des Filmfestivals „ueber arbeiten“, dass morgen im Filmtheater Thalia startet, erklärte Seniorenbeirats-Sprecherin Elke Schnarr. Es war die erste Zusammenarbeit des Malteser Treffpunktes Freizeit mit dem Seniorenbeirat, so Elisabeth Tänzler, pädagogische Leiterin des Jugendeinrichtung. Vielleicht wird es nicht die letzte bleiben: Denn Wolfgang Poschmann vom Seniorenbeirat versprach Tanztheaterleiterin Margitta Burghardt, vor der nächsten Seniorenwoche wieder auf sie zuzukommen.
Mitgesummt und -gesungen haben die Senioren während der Aufführung. „Toll, es hat mich an meine Jugend erinnert“, schwärmte zum Beispiel Ingrid Liebig. In den 50er und 60er Jahren habe sie selbst gerne getanzt, verriet die 72-Jährige. Begeistert und überrascht war auch Karl Kreutz. „Ich hätte nicht gedacht, dass unter Potsdamer Jugendlichen so etwas entsteht“, gab der 78-Jährige zu.
Als Leiter der Arbeitsgemeinschaft „Zeitzeugen“ beim Seniorenbeirat ist für Kreutz die Beschäftigung mit Lebensgeschichten mehr als nur ein Hobby. Neun aktive „Zeitzeugen“ gibt es momentan in der Landeshauptstadt, so Kreutz. Unter ihnen ist Wilhelm Hamann, Potsdams Stadtältester. Ihre Lebenserinnerungen schreiben sie auf, seit 1995 schon. Gerade erschien unter dem Titel „Erlebte Geschichte“ die achte Auflage eines Geschichten-Heftes. JaHa
Im Rahmen des Filmfestivals „über arbeiten“ präsentiert der Seniorenbeirat den Dokumentarfilm „Herb, mein Herbst“. Er wird am Dienstag, dem 21. November, 17 Uhr im Filmtheater Thalia gezeigt.
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