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Landeshauptstadt: Zerbrechliche Kunstwerke

Brandenburger Rentner aus Neuzelle verziert und sammelt Ostereier Ausflugstipp: Die Miniaturkunstwerke werden in Bad Saarow derzeit ausgestellt

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Brandenburger Rentner aus Neuzelle verziert und sammelt Ostereier Ausflugstipp: Die Miniaturkunstwerke werden in Bad Saarow derzeit ausgestellt Bad Saarow - Die Redewendung „ein Ei gleicht dem anderen“ macht für Edwin Keller keinen Sinn. Seit 45 Jahren verziert der inzwischen pensionierte Lehrer aus Neuzelle Ostereier und hat dabei eine Menge Erfahrungen gemacht. Egal, welche der gut ein Dutzend Techniken der 67-Jährige anwendet, die Schale sollte möglichst makellos, ohne Buckel und Risse sein. Ganz gemein sind dünne Stellen. „Wenn man die nicht rechtzeitig entdeckt, kann stundenlange Arbeit schnell für die Katz sein“, lächelt Keller. Auch die Eierformen sind niemals gleich. Puteneier sind lang gezogen, Taubeneier eher rundlich. Die dicke Schale von Straußeneiern eignet sich gut, um kleine Reliefs hineinzufräsen. Und auf Gänseeiern hat Keller mittels Zeichenfeder schon manchen Spruch sowie den gesamten „Erlkönig“ von Goethe verewigt. „Vor 150 Jahren schenkte man sich vor allem in der Lausitz zu Ostern bunte Eier mit Wünschen und Liebesschwüren darauf“, erklärt der 67-Jährige. Anhand seiner mehr als 2500 Exemplare umfassenden Sammlung von Osteiern aus aller Welt lässt sich die Vielfalt erahnen. Wer sich davon überzeugen will, sollte die Ausstellung im Hotel Esplanade in Bad Saarow besuchen. Dort zeigt Keller bis zum 3. April etwa 1000 Eier aus seiner Sammlung. Am Osterwochenende können Gäste dem Autodidakten beim Ziselieren, Marmorieren, Kratzen und Wachsen über die Schulter schauen. Samstags und sonntags ab 10.00 Uhr greift Keller dort zu Schnitzmesser, Federkiel und Stecknadel. Der 67-Jährige pflegt vor allem die Traditionen der Sorben. Wachsreserve- und Bossiertechnik erfordern das Auftragen winziger Portionen Wachs. In bereits gefärbte Eierschalen können Motive auch hineingekratzt werden. Stundenlang sitzt Keller dabei an einem einzigen Ei. „Das ist noch gar nichts gegen die Kunsthandwerker in Rumänien“, winkt der Rentner aus Neuzelle ab. „Die arbeiten an einem Exemplar eine Woche lang.“ Wer das mit Perlenmustern verzierte Ei aus Kellers Sammlung betrachtet, kann den Aufwand erahnen. Das Ei wird zunächst in flüssiges Wachs getaucht, anschließend muss jede der winzigen Perlen per Stecknadel aufgehoben und in die weiche Oberfläche gedrückt werden. Um aus zerbrechlichen Eiern kleine Kunstwerke zu machen, braucht es neben Geschick, Geduld und einer ruhigen Hand vor allem handwerkliche Kenntnisse. Der Neuzeller verfügt über eine umfangreiche Bibliothek an Fachliteratur. Dort werden nicht nur Techniken beschrieben, sondern auch Ornamente und ihre Symbolik. Kreise gelten als Schutz, Sonnenräder und so genannte Wolfszähne stehen für Wehrhaftigkeit. „Ich habe festgestellt, dass in vielen Ländern Europas die gleichen Symbole verwendet werden wie bei uns. Allerdings gestaltet man da unterschiedliche Muster, arbeitet mit anderen Materialien“, erklärt Keller. Besonders stolz ist er auf zwei ungarische Eier: Ein unbekannter Künstler hat hier Bleiplättchen in verschiedenen Formen auf die Oberfläche geklebt. Der Hobby-Kunsthandwerker weiß, dass verzierte Eier überall in der Welt populär sind, auch in Regionen, in denen man das kirchliche Osterfest gar nicht kennt. „Das Ei steht kulturübergreifend für erwachendes Leben, Fruchtbarkeit, Glück und gutes Gelingen“, erklärt der frühere Lehrer für Kunsterziehung und Geschichte. Einst legte man bunte Eier in die Ackerfurche, fügte sie in Brückenpfeiler und Hausfundamente oder verwendete sie als Grabbeigaben. Keller hat auch Bernstein-Exemplare aus Litauen ebenso wie Glasmalereien aus Griechenland und Indien sowie hölzerne Ikonen-Malereien aus Russland in seiner Sammlung. Er selbst arbeitet am liebsten mit ausgeblasenen Eiern. Dass im Hause Keller keine Eierschale zerbrochen werden darf, weiß auch Ehefrau Ingrid, die inzwischen ebenfalls Eier verziert. „Wenn meine Frau Kuchen backt, muss sie das vorher anmelden, und ich komme zum Ausblasen.“ Ein gekochtes Ei haben die beiden schon lange nicht mehr gegessen. ddp

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