zum Hauptinhalt

Aus dem GERICHTSSAAL: Zeuge: „Dem Cello ist zum Glück nichts passiert!“

Rollte der Audi-Fahrer dem russischen Musiker wirklich über den Fuß? Gericht: Keine Verfehlung

Stand:

In ihrer Anklageschrift betonte die Staatsanwaltschaft noch das besondere öffentliche Interesse an der Strafverfolgung des Audi-Fahrers. Nachdem die Sitzungsvertreterin der Ermittlungsbehörde das vermeintliche Unfallopfer gestern hörte, beantragte sie allerdings Freispruch für den Angeklagten. Als das Gericht dem folgte, war der angebliche Verkehrsrowdy erleichtert – und der ursprüngliche Belastungszeuge auch. „Ich wollte, dass das gut ausgeht für den jungen Mann“, beteuerte der Musiker.

Jewgeni J.* (62) war am 5. September 2006 auf dem Weg zu einem Auftritt, unter dem Arm sein teures Cello. Der Bus der Linie 692 hielt am Stadthaus. Gegenüber kam die Straßenbahnlinie 92 an, in die der Russe mit dem kleinen Pferdeschwanz umsteigen wollte. „Ich lief hinter dem Bus hervor, da kam ein Auto und rollte über meinen Fuß. Im ersten Moment hatte ich nur Angst, dass meinem Cello etwas passiert sein könnte“, berichtete Jewgeni J. im Zeugenstand. Doch das Instrument war in Ordnung. „Mein Fuß auch, so glaubte ich jedenfalls“, erzählte der Zeuge. Sebastian S.* (26) in seinem Audi habe sofort angehalten und sich um ihn gekümmert. „Ich sagte ihm, er könne ruhig weiterfahren.“

Später – so der Musiker – sei sein Fuß angeschwollen, habe er starke Schmerzen verspürt. Sein Hausarzt habe ihn zum Röntgen geschickt. Gebrochen war nichts, und auch das angegebene Hämatom hielt sich wohl in Grenzen. Warum Jewgeni J. einen Monat später zur Polizei ging und Sebastian S. der fahrlässigen Körperverletzung bezichtigte, erklärte er dem Gericht so. „Ich hatte zwar keine Schmerzen mehr, aber es hätte ja sein können, dass ich durch Folgeschäden in meinem Beruf beeinträchtigt werde. Dagegen wollte ich mich absichern.“ Der Beamte habe ihm gesagt, er trage eine Mitschuld an dem Unfall. Da habe er darauf verzichtet, einen Strafantrag zu stellen. „Inzwischen weiß ich, dass ich mich falsch verhalten habe“, räumte der Russe ein.

„Ich bin wirklich langsam an dem Bus vorbeigefahren“, beteuerte Sebastian S. auf der Anklagebank. Der ältere Herr mit dem Cello habe die Straße schnellen Schrittes überqueren wollen. Dabei sei er gegen den Außenspiegel seines Autos gelaufen. „Ich fragte den Mann, ob ihm etwas fehlt. Das hat er verneint. Er humpelte auch nicht, als er wegging“, so der Angeklagte. Dennoch sei er nach dem Vorfall zur Polizei gefahren, habe geschildert, was passiert sei. „Die Beamten haben gesagt, wenn es weder Personen- noch Sachschaden gab, können sie nichts unternehmen.“

Staatsanwaltschaft und Gericht befanden, Sebastian S. sei kein Fehlverhalten vorzuwerfen. Fraglich sei außerdem , ob der Reifen des Audi tatsächlich mit dem Musikerfuß in Berührung kam. (*Namen von der Redaktion geändert.) Hoga

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })