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Aus dem GERICHTSSAAL: Zeuge zitterte beim Gucken des Videos

„Wir treten noch einmal in die Beweisaufnahme ein“, verkündete Kammervorsitzender Frank Tiemann gestern vor den erwarteten Plädoyers von Staatsanwaltschaft und Nebenklage im Prozess um den „Tram-Überfall“ vor der Bäckerei Braune und präsentierte einen Überraschungszeugen. Der 18-jährige Karsten Sch.

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„Wir treten noch einmal in die Beweisaufnahme ein“, verkündete Kammervorsitzender Frank Tiemann gestern vor den erwarteten Plädoyers von Staatsanwaltschaft und Nebenklage im Prozess um den „Tram-Überfall“ vor der Bäckerei Braune und präsentierte einen Überraschungszeugen. Der 18-jährige Karsten Sch. soll sich in der Nacht zum 3. Juli vorigen Jahres ebenfalls in der Straßenbahn der Linie 92 befunden haben, aus der heraus sich der gewalttätige Angriff einer Gruppe Rechtsgerichteter auf zwei Studenten, darunter den Antifa-Aktivisten Tamás B., formierte. „Ich war auch zu der Fete im Buga-Park eingeladen. Dort habe ich mich so betrunken, dass ich von der ganzen Aktion nichts mitbekommen habe“, erklärte der Azubi. „Ich weiß nicht einmal mehr, wie ich in mein Bett gekommen bin.“ Auch auf die ausdrückliche Aufforderung des Vorsitzenden, die Wahrheit zu sagen, hielt der Zeuge an seinem alkoholbedingten Blackout fest. „Warum zittern Sie denn so“, wurde er nach dem Anschauen des Videos der Überwachungskamera der Straßenbahn gefragt. Es zeigt eindeutig, dass der nach eigenen Angaben sinnlos Betrunkene mit einer ganzen Horde Dunkelgekleideter aus dem letzten Wagen stürmt. „Ich bin halt aufgeregt“, begründete der junge Mann, der nichts zur Aufklärung der Gewaltorgie sagen konnte oder wollte.

„Die Justiz wird nicht zulassen, dass in Potsdam Zustände wie in der Weimarer Republik einreißen“, betonte Staatsanwalt Peter Petersen und beantragte, die sechs Angeklagten im Alter zwischen 23 und 32 Jahren wegen ihrer „feigen und niederträchtigen Tat“, die aus „niedrigen Beweggründen“ erfolgte, zu Freiheitsstrafen zwischen fünf und zweieinhalb Jahren zu verurteilen. Lautete der Anklagevorwurf gegen die der Berliner und Potsdamer Rechtsextremisten-Szene Zugehörigen ursprünglich auf versuchten Mord, ging Petersen nach Abschluss der Beweisaufnahme von gemeinschaftlicher gefährlicher Körperverletzung aus. Die Tamás B. aus der Gruppe zugefügten Tritte seien nicht übermäßig schwer gewesen. Auch der Schlag mit einer halbvollen Bierflasche auf seinen Kopf, der von einer 18-Jährigen – im Parallelverfahren inzwischen zu drei Jahren und drei Monaten Verurteilten – geführt wurde, sei nicht in Tötungsabsicht erfolgt. Anders sähe es bei dem Stich mit einer abgebrochenen Flasche in den Hals von Christoph B. aus. Dieser hätte durchaus lebensbedrohlich sein können. Da er allerdings nach dem Kommando „Abmarsch“ erfolgte, sei er keinem der Gruppenmitglieder zuzuordnen. „Diesen Stich hat der entsprechende Täter ganz alleine zu verantworten“, so Petersen. Rechtsanwalt Volker Wiedersberg – er vertritt den als Nebenkläger auftretenden, durch Narben gezeichneten Christoph B. – ist sich sicher, dass der Angeklagte Oliver K. den Stich dicht neben der Halsschlagader des Opfers führte. Er forderte eine Freiheitsstrafe von neuneinhalb Jahren. Hoga

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