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Aus dem GERICHTSSAAL: Zeugin: „Er wollte mich abstechen!“

Auseinandersetzung zwischen Geschwistern eskalierte / Verfahren wegen geringer Schuld eingestellt

Stand:

Der Angeklagte stimmt der vorgeschlagenen Verfahrenseinstellung wegen geringer Schuld erfreut zu. Seine im Zuschauersaal sitzenden – und zuvor als Zeugen gehörten – Geschwister bekunden lautstark ihren Unmut. Schon während der Verhandlung war es zu unschönen Szenen gekommen, die Amtsrichterin Kerstin Nitsche veranlassten, vorsichtshalber Justizwachleute auf den Plan zu rufen.

Ortwin O.* (45) sitzt wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung auf der Anklagebank. Am 10. März vorigen Jahres soll er seiner Schwester Gundula G. während eines Streites ein Büschel Haare ausgerissen, ihr gar ein Küchenmesser an den Hals gehalten haben. Als ihr der Bruder Harald zu Hilfe eilte, soll Ortwin O. das Messer auf dessen Bauch gerichtet haben. Doch am Schluss der Auseinandersetzung war lediglich Ortwin O. lädiert. Es gibt ein ärztliches Attest über diverse Hämatome, Schwellungen, Kratzspuren und einen verletzten Zeh.

Folgt man der Aussage von Gundula G.* (43), so habe ihr Ortwin O. volltrunken ein öbszönes Angebot unterbreitet. Als der Bruder Harald davon erfuhr, wollte er den Angeklagten zur Rede stellen – allein. Doch Gundula habe ihn in die Wohnung in der Innenstadt begleitet. „Er hat mich sofort mit einem Wort beleidigt, das ich nicht wiederholen möchte. Ich habe ihm einen zarten Tritt gegen den Oberschenkel versetzt“, erzählt die Frau mit dem blonden Pferdeschwanz. Plötzlich sei Ortwin O. verschwunden, wenig später mit einem Küchenmesser wiedergekommen. „Das hielt er mir starren Blicks an den Hals. Er wollte mich abstechen“, glaubt sie. „Ich dachte, meine Geschwister wollen mich besuchen“, berichtet der Angeklagte. „Kaum hatte ich die Tür geöffnet, stürzte sich meine Schwester auf mich, haute mir ihre Faust ins Gesicht und trat mich in die Genitalien. Ich ging zu Boden.“ Dort habe sie weiter auf ihn eingeprügelt. Bruder Harald habe sich an dem brutalen Treiben beteiligt, ihm gedroht, ihn totzuschlagen. Irgendwann sei es ihm gelungen, Gundula an den Haaren von sich wegzuziehen. „Mir fiel das Messer im Schlafzimmer ein. Das habe ich geholt und die beiden damit aus der Wohnung gedrängt“, so Ortwin O.

„Mein Bruder hat bestätigt, dass er Gundula anrief und ihr angeboten hat, gegen Geld mit ihm zu schlafen“, erinnert sich Harald O.* (44) im Zeugenstand. „Er hat aber auch gesagt, das sei ein Spaß gewesen.“ Gundula sei völlig ausgerastet, habe Ortwin O. „leicht gegen den Oberschenkel“ getreten. Doch er habe zum Messer gegriffen, es „mit kreisenden Bewegungen“ an ihrem Hals entlanggeführt. „Ich ging dazwischen. Da hielt er es mir an den Bauch und machte Stichübungen.“

Die Geschwister liegen seit Jahren im Clinch. Ortwin O. ist kein unbeschriebenes Blatt. Sein Vorstrafenregister liest sich wie ein Querschnitt durch das Strafgesetzbuch. Es reicht von Diebstahl über gefährliche Körperverletzung bis hin zum Totschlag. Diesmal hat wohl einer dem anderen nichts geschenkt. „Ich sehe keinen Raum für eine Verurteilung, aber auch keinen für einen Freispruch“, begründet Richterin Nitsche die Einstellung des Verfahrens. (*Namen geändert.) Hoga

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