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Landeshauptstadt: Zeugin: „Ich sollte mich umbringen!“

Familienstreit eskalierte/Finanzielle Forderungen mit rüden Worten diktiert

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Familienstreit eskalierte/Finanzielle Forderungen mit rüden Worten diktiert Von Gabriele Hohenstein „Ich sollte eine hohe Lebensversicherung abschließen und mich dann umbringen“, berichtet Bianca B. (48) stockend im Zeugenstand. Der Erlös wäre dann zum großen Teil ihrem Bruder zugekommen, dem sie angeblich 250 000 Euro schulde. Die Frau kann nicht weitersprechen, fängt an zu weinen. „Sie sehen so unglaublich kaputt aus“, wirft die Richterin mitfühlend ein. „Wollen Sie überhaupt, dass ihr Bruder bestraft wird?“ Ende vorigen Jahres war Bianca B. jedenfalls noch dieser Ansicht und erstattete Anzeige wegen Nötigung. Laut Staatsanwaltschaft soll der Potsdamerin am 10. Dezember 2002 im Kundenraum der Sparkasse am Luisenplatz einen Brief von ihrem Bruder überreicht worden sein, in dem er ihr androhte, sie zu vernichten, falls sie seinen finanziellen Forderungen nicht nachkomme. Mit äußerst rüden Worten soll der Mann seiner Schwester in dem Schreiben die Modalitäten der Geldbeschaffung diktiert haben. Ansonsten würde sie in diesem Leben kein Bein mehr auf den Boden bekommen. „In groben Zügen stimmt das, was Bianca erzählt hat“, gesteht Alexander W. * (35) auf der Anklagebank. Er sei damals wegen seiner Geschäftsaufgabe völlig am Boden gewesen, habe sich mit der gesamten Familie überworfen, so der gelernte Möbeltischler. Im Sommer habe er eine Therapie in der Aue absolviert, um seine Nerven wieder zu beruhigen. Inzwischen sähe er vieles anders. „Jetzt ist auch das Verhältnis zu meiner Schwester entspannter.“ „Das ist ja unglaublich, was in dem Brief steht“, entrüstet sich die Vorsitzende. „Wenn man davon ausgeht, dass Sie das ernst gemeint haben, kann man schon Angst bekommen.“ Alexander B. senkt den Blick. „Damals sind viele böse Worte gefallen. Auch Bianca war in diesen Auseinandersetzungen nicht immer die Feinste“, versucht er, sich zu rechtfertigen. Es gebe ein zivilrechtliches Urteil, das ihrem Bruder verbiete, sich ihr bis auf Weiteres zu nähern, führt Bianca B. aus. „Allerdings rufe ich inzwischen nicht mehr um Hilfe, wenn wir uns zufällig auf der Straße begegnen. Wir sprechen sogar wieder miteinander.“ Die Industriekauffrau schluckt, braucht eine längere Pause. „Was Alexander mit mir getrieben hat, war wirklich unter der Gürtellinie“, schätzt sie ein. „Wenn Sie Genugtuung habe wollen, kriegen sie sie“, meint die Richterin. Wieder kullern die Tränen. „Ich will meinen Bruder nicht in die Pfanne hauen. Er hat jetzt eine neue Arbeit in Aussicht.“ Vielleicht – hofft die Frau – kriegt er sein Leben dadurch wieder in den Griff. Die Vorsitzende vergewissert sich: „Herrscht jetzt Ruhe im Karton?“ Die Zeugin nickt. Darauf erklärt die Richterin: „Wir machen die Akte zu, und der Angeklagte lässt künftig seine Schwester in Ruhe.“ (*Namen geändert.)

Gabriele Hohenstein

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