Landeshauptstadt: Zeugin mit Adleraugen
Angeklagte: Anstoß beim Ausparken nicht bemerkt
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Angeklagte: Anstoß beim Ausparken nicht bemerkt Von Gabriele Hohenstein „Ich habe einmal direkt vor dem Gericht ein anderes Auto touchiert und nichts bemerkt“, meint die Vorsitzende. „Hätten mich Passanten nicht auf die Berührung aufmerksam gemacht, wäre ich auch davon gefahren.“ Dann hätte die Juristin wegen Unfallflucht auf der Anklagebank gesessen. Auch Regina A.* (50) beteuert, am 15. Juli dieses Jahres keineswegs böswillig das Weite gesucht zu haben, nachdem sie beim Ausparken Am Schlaatz ein nebenstehendes Auto berührte. „Ich bin ganz normal rückwärts rausgefahren, habe weder einen Anstoß bemerkt noch irgend etwas gehört.“ Am nächsten Tag habe sie allerdings eine kleine Schramme an ihrem Mitsubishi festgestellt, so die wegen Unfallflucht Angeklagte. Gerlinde K. *(42) wohnt in der 4. Etage. Von ihrem Balkon aus will sie (durch die Baumwipfel hinweg) genau beobachtet haben, wie das Auto von Regina A. gegen das Kraftfahrzeug ihres Nachbarn stieß. „Ich vernahm ein Geräusch, so als ob Blech gegen Blech kratzt. Die Autofahrerin hat daraufhin kurz durch das offene Wagenfenster geschaut. Dann meinte sie, ach du Scheiße, und fuhr weg.“ Die Zeugin mit den Adleraugen und dem untrüglichen Gehör notierte sich das Kennzeichen des flüchtigen Mitsubishi und informierte ihren Wohnungsnachbarn. Der erstattete Strafanzeige bei der Polizei und fuhr zu einer Kfz-Werkstatt, um sich einen Kostenvoranschlag für die Beschädigungen an seinem fahrbaren Untersatz erstatten zu lassen. Nein, die gegnerische Versicherung habe die errechnete Summe von rund 400 Euro noch nicht bezahlt, erzählt Gernot B. * (51) im Zeugenstand. „Sie wollte erst die Gerichtsverhandlung abwarten.“ Demzufolge sei der Schaden an der Stoßstange seines damals nagelneuen Fahrzeugs noch nicht repariert worden. Ihm sei der Mitsubishi der Angeklagten kurz zuvor aufgefallen, der fast diagonal in der Parklücke stand, erinnert sich der Facharbeiter für Betriebs- und Verkehrswesen.„Vielleicht hat sie deshalb beim Ausparken nicht den richtigen Bogen erwischt?“, vermutet er. Die Sitzungsvertreterin der Staatsanwaltschaft kann sich nicht vorstellen, dass die Angeklagte den Anstoß nicht bemerkt hat und drängt auf eine Verurteilung. Der Gesetzgeber sieht für unerlaubtes Entfernen vom Unfallort Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe vor. Die Vorsitzende – eingedenk eigener Erfahrungen – betont: „Es ist der Angeklagten nicht zweifelsfrei zu beweisen, dass sie die Berührung des Nachbarautos bemerkt hat.“ Da die Schuld der Potsdamerin gering sei, regt sie an, das Verfahren gemäß § 153 a der Strafprozessordnung gegen eine Geldbuße in Höhe des entstandenen Schadens – zu zahlen an den Besitzer des beschädigten Autos – einzustellen. Außerdem muss Regina A. noch 100 Euro an einen gemeinnützigen Verein entrichten. (*Namen von der Redaktion geändert.)
Gabriele Hohenstein
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