zum Hauptinhalt

Aus dem GERICHTSSAAL: Zickenalarm und fliegende Fäuste

Bewährung und zwei Verwarnungen für übertriebenen Beschützerinstinkt

Stand:

Trotz der Hitze erscheinen Benjamin B.* (18) und Clemens C.* (19) in dunklen Anzügen vor dem Jugendgericht, offenbar ihre Arbeitskleidung. Sie wollen Vermögensberater werden, besuchen entsprechende Lehrgänge. Hartz IV-Empfänger Marko M.* (23) ist lässiger gekleidet, dafür über und über tätowiert. Das Trio ist der gefährlichen Körperverletzung angeklagt und weitgehend geständig. So werden die beiden Jüngeren verwarnt, müssen zudem je 60 Stunden ohne Lohn arbeiten. Marko M. – bereits wegen Verstoßes gegen das Waffengesetz, Verwendens von Nazi-Symbolen, Bedrohung, Sachbeschädigung, versuchter Nötigung, Diebstahls sowie Körperverletzung vorbelastet – kassiert eine Freiheitsstrafe von sieben Monaten auf Bewährung, muss 80 Stunden gemeinnützige Arbeit leisten. In diese Sanktion wird ein Urteil vom Vorjahr einbezogen. „Wir hätten uns nicht so reinsteigern dürfen“, räumen die Angeklagten in ihrem letzten Wort ein, entschuldigen sich bei ihrem Opfer Nick N.* (21). Er tritt im Prozess als Nebenkläger auf und berichtet widerstrebend, wie er am 5. Februar zusammengeschlagen und getreten wurde. „Wer was gemacht hat, kann ich nicht sagen. Ich habe mich auf den Boden gekauert und mein Gesicht mit den Händen geschützt.“ Nick N. verwahrt sich entschieden gegen die Beschuldigung der Angeklagten, er habe eine gemeinsame Bekannte namens Katharina „begrapscht und angebrüllt“. „Ich hatte Katharina mein Mathebuch geborgt. Das wollte sie mir an diesem Abend zurückbringen“, so Nick N. Doch das Mädchen sei mit ihren Freundinnen Lisa und Franzi erschienen. Lisa habe das Buch gehabt, es ihm jedoch nicht geben wollen. „Ich trat mit dem Fuß dagegen, damit es runterfällt. Lisa begann zu schreien. Da dachten die Angeklagten wohl, ich hätte ihr etwas getan.“

„Wir wollten Nick zur Rede stellen, weil er Katharina verarscht hat“, präsentiert Franzi ihre Version. „Danach hätte er das Buch bekommen.“ Als Nick gegen die Hand von Lisa trat, sie danach am Hals packte und an einen Zaun drückte, haben wir geschrien. Da kamen die Jungs angerannt.“ „ Lisa hielt sich die Brust. Ihr wurde auch schlecht“, erzählt der Angeklagte Clemens C. „Da habe ich Nick ins Gesicht geboxt.“ Benjamin B. gesteht einen Fausthieb auf den Kopf sowie zwei Schläge in den Bauch des Opfers. Auch Marko M. gibt seine Beteiligung an der Attacke schließlich zu. „Wenn jeder Selbstjustiz üben würde, gäbe es Anarchie und Chaos“, betont die Richterin. Obwohl Nick N. zum Glück nicht erheblich verletzt wurde, könne jedoch nicht von einem minder schweren Fall ausgegangen werden. (*Namen geändert.) gh

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })