Landeshauptstadt: „Zinsknechtschaft“ und „Daseinsfürsorge“
„Teurer Grund“ vom 19. DezemberParlamente haben, indem dort politische Sachverhalte diskutiert und entschieden werden, auch eine bildende Funktion, „Teaching Function“ heißt es im Englischen unmissverständlich.
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„Teurer Grund“ vom 19. Dezember
Parlamente haben, indem dort politische Sachverhalte diskutiert und entschieden werden, auch eine bildende Funktion, „Teaching Function“ heißt es im Englischen unmissverständlich. Das gelingt nicht immer. Als im brandenburgischen Landtag, wie in den PNN berichtet, das Wort von der „Zinsknechtschaft“ einen Tumult auslöste, ist leider das Gegenteil passiert. Dass ausgerechnet ein Sozialist an diesem Wort Anstoß nimmt, verwundert. Die NSDAP führte den Sozialismus in ihrem Namen, Hitler bezeichnete sich in Reden als Sozialist. Das Programm von 1920 war antikapitalistisch. Da ist von Kommunalisierung die Rede, von Bodenreform, von Gemeineigentum und Enteignung, von Verstaatlichung der Konzerne und Gewinnbeteiligung bei den Großbetrieben. Die Brechung der Zinsknechtschaft, das heißt die Beendigung der Ausbeutung durch das Finanzkapital, gehört dazu. Es verwundert, dass sich Linke ausgerechnet über diesen – antikapitalistischen – Begriff echauffieren. Alle anderen Fachausdrücke aus dem NSDAP-Programm gehören zu ihrem Wortschatz. Auch das beliebte Wort von der „Daseinsvorsorge“ ist belastet. Der Staatsrechtler Ernst Forsthoff legitimierte in seinen Schriften die Herrschaft der Nationalsozialisten. Er schrieb, dass der „totale Staat“ die Versorgung der Bevölkerung mit Strom, Wasser, Heizung und Wohnung nicht den Kapitalisten überlassen dürfe. Dass die NSDAP ihr sozialistisches Wirtschaftsprogramm nicht umsetzte, ist kein Gegenargument. Auch die Partei Die Linke denkt, mindestens zurzeit, nicht daran, ihr wirtschaftspolitisches Programm in die Tat umzusetzen.
Günter K. Schlamp, Potsdam
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