
© Andreas Klaer
Von Friederike Sophie Foitzik: Zu kurz auf der Welt
Tröstende Tradition: Gedenkgottesdienst für verstorbene Kinder in der Sternkirche
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Am Stern - Eine Stunde dauert der Gottesdienst. Viele Kerzen werden entzündet. Es sind Lichter für gestorbene Kinder. Angezündet von den Eltern, von Geschwistern, von Freunden. Viele der Trauernden werden in diesen Momenten von ihren Gefühlen überwältig.
Einmal im Jahr, am Samstag vor dem Totensonntag, findet in Potsdam ein Gedenkgottesdienst für verstorbene Kinder statt. Vor sieben Jahren hat Pfarrerin Beate Violet den ersten dieser Gottesdienste organisiert. Violet ist evangelische Krankenhausseelsorgerin. Im Klinikum „Ernst von Bergmann“ begleitet sie seit zwölf Jahren Menschen, die ein Kind verloren haben. Ein Schwerpunkt ihrer Arbeit ist die Betreuung von Sternenkinder-Eltern. So werden die Kinder genannt, die vor, während oder kurz nach der Geburt gestorben sind. Laut einer bundesweiten Statistik aus dem Jahr 2008 sterben von 1000 lebend geborenen Babys 3,5 in den ersten zwölf Monaten ihres Lebens. Damit ist die Säuglingssterblichkeit erheblich gesunken – 1990 lag die Zahl noch bei sieben von 1000. In Potsdam gibt es seit 2008 für die Sternenkinder eine Gemeinschaftsgrabstelle auf dem Evangelischen Friedhof in Babelsberg an der Wichgrafstraße.
Für die Eltern der Sternenkinder, aber auch für Geschwisterkinder, Freunde und Bekannte gestaltet Pfarrerin Violet den Gedenkgottesdienst. „In meiner Arbeit ist das der wichtigste Tag im Jahr“, sagt sie. Bis spät in der Nacht habe sie an ihrer Predigt gearbeitet. Selbst für die erfahrene Seelsorgerin ist es schwierig, sich in die Gefühlswelt der trauernden Eltern hineinzuversetzen. Kurz nach 15 Uhr sind fast alle Stühle in der evangelischen Sternkirche besetzt. Langsam wird es ruhig, Orgelmusik erklingt.
Der Gottesdienst sei wichtig, weil er den Trauernden Trost und Kraft spende, ein Ort der Erinnerung an die verstorbenen Kinder sei, sagt Beate Violet. Für ihre Arbeit sei es eine Bereicherung, dass betroffene Eltern bei der Gestaltung des Gottesdienstes mithelfen. Von ihnen bekomme sie Hinweise und Anregungen. In diesem Jahr unterstützten drei Elternpaare Pfarrerin Violet bei der Vorbereitung. Einige von ihnen schrieben Texte oder kurze Gedichte, die sie in der Kirche vortrugen.
Seit drei Jahren hilft Irene Stari bei der Organisation des Gottesdienstes. „Natürlich ist das mit Abstand einfacher, am Anfang kann man nicht vorne stehen und etwas vortragen“, sagt Irene Stari. Für sie sei der Austausch mit ebenfalls betroffenen Eltern sehr wichtig. So können nach jedem Gedenkgottesdienst die Teilnehmer bei selbstgebackenem Kuchen miteinander sprechen.
Den Verlust eines Kindes zu verarbeiten, zu bewältigen, könne mehrere Jahre dauern, sagt Dorothee Schran, eine betroffene Frau. „Für mich hat es vier bis fünf Jahre gedauert“, sagt sie. Irene Sari betont, dass es sich um einen Prozess mit Wellenbewegungen handle. Jahrestage oder Festtage wie Weihnachten seien besonders schmerzlich. „Aus diesem Grund ist es wichtig, einen Ort des Erinnerns und des Beisammenseins mit anderen Trauernden zu haben“, sagt Dorothee Schran.
Die Idee, einen Gottesdienst für Eltern auszurichten, die um ihre verstorbenen Kinder trauern, entstand vor mehr als sieben Jahren innerhalb einer Trauergruppe. Dazu kam eine Ausstellung, die 2005 in der Sternkirche gezeigt worden war: Birgit Ginkel verarbeitete den Verlust des eigenen Kindes, in dem sie Bilder vom Leben und Sterben ihres damals vier Monate alten Sohnes malte.
„Wenn Eltern den Kontakt zu ihren Kindern suchen, ist das eine Bestätigung meiner Arbeit, die mir Kraft gibt“, sagt Pfarrerin Beate Violet. „Und ich lerne von den Eltern, dass mit dem Tod nicht alles zu Ende ist.“
Friederike Sophie Foitzik
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