
© Andreas Klaer
Von Guido Berg: Zu viele Bälle in der Luft
Warum es die Baubeigeordnete Elke von Kuick-Frenz in ihren acht Amtsjahren so schwer hatte
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Dahingestellt, ob ihr die 1999er Dissertation über den Hamburger Gärtner Otto Linne nun wirklich das Zeug dafür gab: Dr. Elke von Kuick-Frenz hatte wohl ohnehin kaum eine Chance, als sie 2001 das Amt der Beigeordneten für Stadtentwicklung und Bauen erhielt. Keiner ihrer Vorgänger ist als Held aus dem Amt geschieden, und auch ihr Abschied löst nun höchstens Krokodilstränen bei den Rathausfraktionen aus, als Akt strengster Kooperationsdisziplin. Doch ihr zugute gehalten: Die Landeshauptstadt Potsdam hat wohl kein schwierigeres öffentliches Amt zu vergeben, als das, das sie nicht auszufüllen vermochte. Zum Abschied nichts Böses, freilich, doch darauf angesprochen, senken sie heimlich alle den Daumen. Ein anonym bleiben Wollender sagte es so: „Zum Schluss hat sie wenigstens keinen Schaden mehr angerichtet.“
Potsdam hat seit der Jahrtausendwende eine grandiose Entwicklung genommen, aus der Jammerhauptstadt ist die Boomtown geworden. Auf keinen Bereich hat sich das gravierender ausgewirkt, als auf den, den Elke von Kuick-Frenz verantwortete. Die Förder- wie Investoren-Millionen kamen erdrutschartig über die Stadt. Keine Woche verging ohne Grundsteinlegung, Richtfest oder Einweihung. Stadtviertel, Quartiere, Standorte stiegen wie Phönix aus der Asche. Dass so gut wie kein Planungs-, Ideen- als auch öffentlicher Diskussionsvorlauf da war, der hätten helfen können, die immer schwieriger werdenden stadtentwicklungspolitischen, städtebaulichen und architektonischen Fragen zu beantworten, lag wahrlich nicht allein an Elke von Kuick-Frenz.
Die Hitliste der wichtigsten Baustellen macht klar, dass die eher zierliche Frau immer mehr Bälle in der Luft hatte, als sie je hätte jonglieren können: Allein die Übersicht über das Projekt Schiffbauergasse hätte Menschen ganz anderen Kalibers überfordern können. Doch hinzukommt das Megathema der Wiedergewinnung der Potsdamer Mitte mit den Unterthemen Landtagsschloss, Trambrücke, Verkehrsverlegung, Baufeldfreimachung, Bebauung der Alten Fahrt mit der Frage, ob es am Alten Markt moderne Architektur sein soll oder die Rekonstruktion des im Krieg Verlorenen. Eine ideale Baubeigeordnete hätte dazu stadtweite Großdebatten vom Zaun brechen, moderieren und resümieren müssen. Damit die Potsdamer geistig und seelisch Schritt halten mit ihrem sich verändernden Potsdam. Doch zur Bürgerbefragung für den Landtagsstandort musste die Stadt gezwungen werden wie zu den Workshops, zu denen sie neuerdings einlädt, siehe Speicherstadt.
Der Beigeordnetenposten ist ein politisches Amt, seine Hauptaufgabe liegt in der Politikvermittlung, in der Kommunikation in der Öffentlichkeit. In dieser Hinsicht war das Versagen offenkundig: Dass Potsdam eine neue Trambrücke in der Mitte erhalten wird, erfuhren Journalisten aus einem von Kuick-Frenz versehentlich geäußerten Nebensatz. Nie hatte sie Zahlen parat – und waren es auch Millionen-Beträge. „Ach Kinder“, sagte sie immer, „watt soll ick den noch allet wissen?“
Dass der Bauausschuss zu den längsten und spannendsten Veranstaltungen der Potsdamer Lokalpolitik gehört, daran hat von Kuick-Frenz maßgeblichen Anteil. Legendär sind die Debatten um Bauprojekte wie die Villa Schönbohm, die Lennéstraße 44, die Seestraße 7, das Semmelhaack-Projekt Am Krongut oder den nur durch Intervention des Internationalen Rates für Denkmalschutz abgewehrten Wohnriegel an der Schopenhauerstraße vis a vis des Schlossparkes von Sanssouci. Was sie alle eint: Keines dieser Vorhaben hätte es zu einer Zeitungsschlagzeile geschafft, besäße die nun ihren Resturlaub Antretende ein verantwortbares Verhältnis zum Welterbe, dass sie ihren Fachbereichsfürsten hätte nahe bringen können. Gelegentlich deutete von Kuick-Frenz Schwierigkeiten mit der Wahrheit an: Hatte sie die Unesco-Welterbehüter schon kontaktiert? War die Schlösserstiftung, war das Landesdenkmalamt zu dem Vorhaben gehört worden? Ihre Antwort hörte sich oft nach „ein bisschen“ an.
Freilich hat es jeder Löwendompteur leichter als sie. Die Bauwelt ist eine Männerwelt, Elke von Kuick-Frenz hatte Männer zu zügeln und zu leiten, die auch nicht bereit gewesen wären, sich zügeln oder leiten zu lassen, selbst wenn sie ihnen gewachsen gewesen wäre. Sie sprach manchmal von „meinen Jungs“, die das schon machen würden. Klar, sie haben gemacht – was sie wollten. Bände dazu spricht der berühmte Battis-Bericht über die Probleme in der Bauverwaltung.
Natürlich ist vieles fertig geworden in ihrer Amtszeit, das Theater, die Weichenstellung für die Mitte, die Speicherstadt, die Feuerwache, die Bibliothek, das Alte Rathaus. Geschah dies wegen oder trotz Elke von Kuick-Frenz? Die versöhnliche Antwort könnte lauten: Sowohl als auch.
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