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Landeshauptstadt: Zu viele Kinder pro Erzieherin

Sozialdezernentin fordert mehr pädagogisches Personal in Problemstadtteilen – für die Chancengleichheit

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Mehr Personal an Kindergärten in Problemstadtteilen fordert die Landeshauptstadt vom Land. Das Verhältnis von einem Erzieher auf 15 Kinder im Alter zwischen drei und sechs Jahren sei in Kitas mit hohem Anteil sozial benachteiligter Kinder zu hoch, sagte die Potsdamer Sozialdezernentin Elona Müller. Mehr Personal sei beispielsweise nötig, um Entwicklungs-Defizite, vor allem bei der Sprache, ausgleichen zu können. Ansonsten würde für die Kinder im Übergang zur Grundschule keine Chancengleichheit bestehen, sagte Müller. Sie könne sich gut vorstellen, dass die Stadt sich im Bereich Vorschulförderung und Übergang in die Grundschule Finnland als Vorbild nimmt – dafür wird die finnische Kindergartenlehrerin Meeri Kannisto diese Woche Einrichtungen in Potsdam besuchen.

Ziel sei laut Müller beispielsweise eine engere Verzahnung beim Übergang von der Kita in die Grundschule. Dafür sollen Standards eingerichtet werden, wie eine Dokumentationsmappe mit Arbeiten und Beurteilungen eines Kindes. Diese Hilfe für Grundschullehrer würde nur mit Genehmigung der Eltern geschehen, so die Beigeordnete. In Finnland sei das Standard, sagte Meeri Kannisto. Die Finnin aus Potsdams Partnerstadt Jyväskylä war bereits vor vier Jahren für zwei Monate an einem Kindergarten im Schlaatz und zog rückblickend die Bilanz: „Ich möchte da nicht arbeiten“. Denn die geringe Anzahl an Personal lasse nicht die erforderliche pädagogische Betreuung der Kinder zu. In Finnland gebe es je vier Kinder bis drei Jahre eine Erzieherin, für Kinder von drei bis sieben Jahren steht eine Pädagogin für sieben Kinder zur Verfügung. Jede dritte Stelle muss laut Meeri Kannisto mit einer Akademikerin besetzt sein. Das ist in Potsdam seit 1990 nicht mehr so.

Jugendamtsleiter Norbert Schweers erklärte gestern, das Land Brandenburg hat im Krippenalter einen der schlechtesten Personalschlüssel deutschlandweit. Er nannte Bayern als positives Beispiel: dort würde ein Erzieher für vier Kinder im Krippenalter da sein – wie in Finnland. „Spätestens seit den PISA-Studien steht Finnland in Europa als Synonym für ein innovatives, ganzheitliches Schulsystem“, sagte Elona Müller.

Jedoch unterscheiden sich die Rahmenbedingungen der beiden System grundlegend: Während die Einrichtungen in Finnland meist staatlich sind, einen Höchstpreis von 200 Euro monatlich inklusive Essen verlangt wird, es ein kostenloses Vorschuljahr gibt und eine Betreuungszeit bis 22 Uhr möglich ist, gibt es in Potsdam 90 Kindertagesstätten mit 50 verschiedenen Trägern. Nur wenige bieten Betreuungszeiten über 17.30 Uhr hinaus, einheitliche Qualitätsstandards zur Orientierung und Vergleichbarkeit der Kitas werden derzeit erarbeitet und sollen im September vorgelegt werden. Diese würden dann auch kontrolliert, sagte Schweers. Der Gesetzgeber lasse diese Möglichkeit der Qualitätskontrolle seit einem halben Jahr zu, Potsdam arbeite mit Nachdruck daran, dies zu nutzen.

Meeri Kannisto, die in acht Kindertagesstätten sein wird und auch das Oberstufenzentrum der Erzieherausbildung auf Hermannswerder besucht, hofft, auf alle Fragen eine Antwort zu kennen. Entstanden ist der jetzige Gedankenaustausch, weil die Kita Glindow-Elisabethhöhe beim Freundeskreis Potsdam-Jyväskylä angefragt hat, ob sie mehr Informationen aus erster Hand über das finnische Vorschulsystem haben könnte.

Heute Abend um 18 Uhr findet im Alten Rathaus am Alten Markt eine Infoveranstaltung über das finnische Vorschulsystem statt. Referieren werden Maritta Hännikäinen, Professorin an der Universität Jyväskylä, und die Kindergartenlehrerin Meeri Kannisto. Die Referate werden in deutscher Sprache gehalten. Eintritt frei.

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