Landeshauptstadt: Zu viele Kurse – zu wenig Ausländer
Nur zwei von neun Potsdamer Integrationskurs-Anbietern haben Schüler / Mangel bei sozialer Betreuung
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Nur zwei von neun Potsdamer Integrationskurs-Anbietern haben Schüler / Mangel bei sozialer Betreuung Adelina Galkina schmerzt das Herz. Aber nicht, weil die 63-Jährige sich nach ihrer russischen Heimat sehnt – sondern damit ihr Banknachbar ihr antworten kann: „Nehmen Sie Tabletten ein!“ Deutschunterricht im Urania-Schulhaus. Zurzeit besuchen rund 125 Ausländer in Potsdam einen Integrationskurs. Seitdem am 1. Januar dieses Jahres das neue Zuwanderungsgesetz in Kraft trat, bieten hier neun Kursanbieter die 630 Unterrichtsstunden für Migranten an. Nur zwei der Kursträger haben aber tatsächlich Schüler: die Berlin-Brandenburgische Auslandsgesellschaft (BBAG) und der Urania-Verein. In westdeutschen Großstädten sehe es ähnlich aus, beschreibt Ausländerbeauftragte Magdolna Grasnick die Situation: „Wir haben zu viele Kursträger und zu wenig Ausländer.“ Nach Potsdam zogen 2003 nur 1613 Ausländer, 1080 verließen die Stadt im selben Jahr. 2005 leben laut Grasnick noch weniger Migranten in Potsdam, da die Zahl der Asylbewerber und der jüdischen Zuwanderer sinke. Dass das Urania-Schulhaus sogar vier Integrationskurse besetzen kann, erklärt Schulleiter Manfred Gartz mit guter Werbung: „Wir gehen konkret dahin, wo die Migranten wohnen.“ Zudem spreche es sich im Freundeskreis herum, dass es hier Deutschunterricht gebe. Adelina Galkina, die vor fünf Monaten nach Deutschland kam, kommt seit März jeden Morgen um 9 Uhr aus Neuseddin zum zuständigen Integrationskurs nach Potsdam. Eigentlich kostet der Kurs 630 Euro, doch Bezieher von Arbeitslosengeld II oder Sozialgeld müssen, wie die arbeitslose Ärztin Galkina, nichts zahlen. Die Spätaussiedlerin hört Lehrerin Christine Brederlow aufmerksam zu. Sie will den Abschlusstest bestehen: Ohne den Nachweis könnte der Staat ihr die Sozialleistungen bis zu zehn Prozent kürzen. Mohammed Kabir, der mit Galkina in der selben Klasse sitzt, benötigt den Nachweis auch für seine Niederlassungserlaubnis. Die Ausländerbehörde hat den 61-jährigen Hämatologen, der vor den Taliban aus Afghanistan geflüchtet war, zum Kurs geschickt, weil er ohne Sprachkenntnisse keinen Arbeitsplatz findet. Noch redet er hauptsächlich mit Händen und Füßen, doch sein Deutsch wird besser. Ihre Schüler seien sehr interessiert, so Brederlow: „Sie wissen ziemlich viel über Deutschland.“ Der wichtigste Grund für die Teilnahme am Integrationskurs ist für Galkina und Kabir aber wohl, sich im deutschen Alltag zurecht zu finden, bei Behördengängen oder Arztbesuchen. Sozialarbeiterin Nadeschda Junghannß hilft dabei. Vor dem Zuwanderungsgesetz wurde ihre Stelle zumindest teilweise vom Bund gefördert, heute trägt das Schulhaus die Kosten allein. Dabei fehle es gerade an der sozialen Betreuung der Migranten, so Geschäftsführer Ullrich Simchen. Er hoffe, dass sich dieser Notstand im nächsten Jahr ändere. Denn nach dem Probejahr 2005 soll das neue Zuwanderungskonzept noch einmal verbessert werden. So lange arbeiten bei der Urania und auch bei der BBAG hauptsächlich Ein-Euro-Kräfte als Betreuer.
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