Sport: Zu viele Talente fallen noch durch die Roste
Jürgen Eschert, Teammanager des Kanu-Clubs Potsdam, über Erreichtes und die nächsten Vorhaben der OSC-Rennkanuten
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Jürgen Eschert, Teammanager des Kanu-Clubs Potsdam, über Erreichtes und die nächsten Vorhaben der OSC-Rennkanuten Auf ein erfolgreiches Wettkampfjahr blicken die Potsdamer Rennkanuten zurück. Um bestmögliche Bedingungen für ihren Sport kümmert sich Jürgen Eschert (63), der 1964 erster Potsdamer Kanu- Olympiasieger wurde. Jürgen Eschert, sind Sie als Teammanager des Kanu-Clubs Potsdam im OSC mit der olympischen Saison 2004 zufrieden? Man darf nicht nur die Saison 2004 in Betracht ziehen, sondern den gesamten Olympiazyklus ab 2001. Vor vier Jahren habe ich gesagt, dass es unsere vorrangige Aufgabe sei, den Olympiazyklus mit seinen jährlichen Wettkampfhöhepunkten erfolgreich zu gestalten und dabei alles dem großen Ziel Athen 2004 unterzuordnen. Jetzt kann man sagen, dass dieser Zyklus mit den Spielen von Athen als krönendem Abschluss für den Kanu- Club Potsdam sehr erfolgreich war. Sowohl in der Spitze als auch im Nachwuchsbereich, wobei ich alle internationalen, aber auch die nationalen Erfolge einbeziehen möchte. Beispielsweise die bei den diesjährigen Deutschen Meisterschaften, als wir mit 26 Goldmedaillen die bisher überhaupt erfolgreichste Bilanz hatten. Alle Träume Ihrer Rennkanuten gingen aber nicht auf, oder? Das stimmt. Wir wollten auf jeden Fall mit Katrin Wagner und Manuela Mucke zwei Frauen an den olympischen Start in Athen bringen, und beide sollten dort Medaillen gewinnen. Außerdem hatten wir darauf gehofft, dass die als Juniorin sehr erfolgreiche Yvette Erlebach bis 2004 den Sprung in die nationale Spitze schafft. Von Marc Westphalen, der vor drei Jahren Bronze bei den Welt- und Europameisterschaften gewann, hatten wir erwartet, dass er sich stabilisiert und ebenfalls den Sprung in die Olympiamannschaft schafft. Peter Hörnig ist das ebenfalls nicht gelungen. Worin sehen Sie die Gründe dafür? Peter Hörnig hätte, wenn er sich – wie beispielsweise der Leipziger Christian Gille – einen Partner für den Zweiercanadier aus einem anderen Verein gesucht hätte, auch eine Olympiachance gehabt. Yvette Erlebach hat es einfach nicht geschafft, den Anschluss an die Spitze wirklich herzustellen, und bei Marc Westphalen ist es uns allen ein bisschen unerklärlich, warum er so stagnierte. Andererseits: Manuela Mucke hatte bei der nationalen Qualifikation die geforderten Leistungen erbracht und sich eindeutig als viertbeste Einer-Fahrerin für die Olympiamannschaft qualifiziert. Sie ist aber aus für uns nach wie vor nicht nachvollziehbaren Gründen nicht für den Viererkajak berücksichtigt worden. Dafür gelang Ihrem Verein zu Jahresbeginn mit der Verpflichtung Ronald Rauhes, des Berliner Zweierkajak-Partners von Tim Wieskötter, ein Paukenschlag. Ronnys Wechsel von Berlin nach Potsdam brachte beiden Kanuten eine Stabilisierung ihrer Leistung und des Umfelds, das wir für die beiden und dann auch für Katrin Wagner und Manuela Mucke geschaffen haben. Sie haben wirklich gute Voraussetzungen, sich in aller Ruhe nun auch auf den nächsten Olympiazyklus vorzubereiten. Rauhe/Wieskötter wurde in Aussicht gestellt, als Olympiasieger von Athen durch ihren Sponsor O2 für Kanuten bislang utopisch erscheinende Werbemöglichkeiten zu erhalten. Wie weit ist die Planung dafür bereits gediehen? Ich habe dieser Tage mit dem für Sponsoring Verantwortlichen von O2 verhandelt. Von beiden Seiten ist die Bereitschaft ausgesprochen worden, bis 2008 zusammenzuarbeiten. Es gibt klare Vorstellungen, wie das funktionieren soll, auch Werbespots im Fernsehen für O2 wurden besprochen. Es gibt ganz bestimmte Zielgruppen, die die Werbung mit unseren beiden Kanuten erreichen will. Der Vertrag von O2 mit dem Verein wurde übrigens ebenfalls verlängert, auch hier ist an ein längerfristiges Miteinander gedacht. Derzeit befinden sich Ronald Rauhe und Tim Wieskötter beim Bundesliga-Lehrgang in Nienburg. Vor einigen Wochen noch hieß es, ihr Verbleib in der Sportfördergruppe der Bundeswehr sei abgelaufen. Das war eine verbandsinterne Geschichte, die ausgestanden ist. Jetzt ist geklärt, dass die beiden die nächsten vier Jahre – wie es ihr persönlicher Wunsch ist – in der Sportfördergruppe bleiben. Das Gleiche gilt für Katrin Wagner-Augustin. Daher sind wir als Kanu-Club auch froh, dass die Sportfördergruppe weiter in Potsdam bleibt. Bis 2008 ist das ja nun erst einmal abgesichert. Wie geht es mit Manuela Mucke und Peter Hörnig weiter, die 2005 nicht mehr zu den A-Kadern des Deutschen Kanu-Verbandes zählen? Die neue Kadereinteilung des Verbandes ist ebenfalls nicht nachzuvollziehen. Der Förderverein des KCP wird aber Manuela Mucke und Peter Hörnig sowie Yvette Erlebach wie bisher unterstützen. Was erwarten Sie von der kommenden Saison? Wir sind der stärkste Kanuclub in Deutschland, haben tolle Spitzen-, Anschluss- und Nachwuchsathleten. Trotzdem fallen uns noch zu viele talentierte und erfolgreiche Junioren durch die Roste und kommen nicht ganz oben an – was aber ein Problem fast aller Sportarten zu sein scheint. So wie es in diesem Jahr Caroline Kratochvil und Torsten Eckbrett gelang, fast nahtlos Anschluss von den Junioren an die Spitze zu finden, so muss es uns künftig auch bei anderen Hoffnungen gelingen, schneller diesen Zwischenraum von den Junioren zur Spitze zu schließen. Hier liegt eine riesige Verantwortung auf dem Verein. Die wichtigste Aufgabe im nächsten Jahr ist es dafür zu sorgen, dass unsere hervorragenden Junioren wie Fanny Fischer und Birka Zimmermann, Florian Heinrich, Ronald Verch, Sebastian Brendel, Torsten Lachmann und Lieven Spur nicht irgendwo auf der Strecke bleiben. Es nutzt nichts, sich nur auf die Spitze zu konzentrieren, während hinten die Talente wegbrechen. Mit der Sportschule und dem Olympiastützpunkt haben wir hier hervorragende Bedingungen. Bei der Berufsausbildung wird es dann aber schon problematischer. Welche sportlichen Herausforderungen gibt es 2005? Wir wollen bei den Europameisterschaften im Juli in Poznan und den Weltmeisterschaften im August in Zagreb natürlich an unsere ausgezeichneten Leistungen der letzten Jahre anknüpfen und dabei versuchen, unsere Anschlusskader an die Spitze mitzunehmen. Für unsere jungen Aktiven sind die U23-EM und die Europameisterschaften der Junioren im Juli in Plovdiv sowie die Junioren-Weltmeisterschaften im August in Szeged ein wichtiges Ziel. Wie sehen die Bedingungen im Verein für künftige sportliche Erfolge aus? Ich führte und führe derzeit Gespräche mit allen Sponsoren. Bisher können wir davon ausgehen, dass alle großen Sponsoren ihr Engagement in gleicher Größenordnung aufrecht erhalten und in einigen Fällen sogar noch steigern werden. Es gibt auch erste Gespräche mit neuen Sponsoren. Durch die mittlerweile traditionellen Wasserspiele und weitere Veranstaltungen für unsere Mitglieder und Förderer konnte sich auch der Förderverein des Kanu-Clubs stabilisieren und zahlreiche Neuzugänge registrieren. Das Interesse an uns ist weiter gewachsen. Ausdruck der gesteigerten öffentlichen Wahrnehmung des Kanurennsports sind auch die Verleihung der diesjährigen Sport-Bambi an die Kanu-Olympiasieger von Athen und der zweite Platz Birgit Fischers bei der ZDF-Umfrage nach dem Sportler des Jahrhunderts. Also alles Friede und Freude? Natürlich nicht. Es gibt eine einzige vorrangige Aufgabe, die wir bisher noch nicht erfüllen konnten und die lebensnotwendig für die weitere Existenz des Kanu-Clubs ist – das ist der Ausbau des Bootshauses als Basis für die normalen Vereinsmitglieder, Förderer und Sponsoren, um deren sportliche Aktivitäten absichern zu können. Inzwischen nämlich trainieren bei uns regelmäßig Freizeitkanuten aus Unternehmen wie der Investitionslandesbank, der Landesbausparkasse Ost, der EWP, von O2 und der Mittelbrandenburgische Sparkasse sowie die Frauen und Männer des Fördervereins, deren Aktivitäten vor allem durch unsere Wasserspiele gewachsen sind. Steht der Termin der Wasserspiele 2005 bereits fest? Die Wasserspiele werden zeitgleich mit den WM-Endläufen in Zagreb am 27. August stattfinden. Zunächst aber werden wir am 4. Februar die traditionelle Kanuparty des KC Potsdam als Rückblick und Start in die neue Saison feiern. Das Interview führte Michael Meyer
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