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Von Heike Kampe: Zu wenig beachtet
An der Uni wurde diskutiert, wie sich Praxisbezug im Studium optimieren lässt
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„Ich fühle mich in meinem Studium ungenügend auf die Praxis vorbereitet“, sagt Karsten Mühle, der an der Universität Potsdam studiert. Dieses Gefühl sei für viele seiner Kommilitonen typisch, erzählt er. Welche beruflichen Perspektiven es nach dem Studium gibt, wie das erlernte Wissen angewandt wird – das lernen Studierende häufig in einem Praktikum außerhalb der Universität, das meist zur Pflicht im Studium gehört.
Doch die Praxisphasen enttäuschen allzu oft die Erwartungen der Studierenden. „Man macht sein Praktikum, muss einen Bericht darüber schreiben und bekommt einen Schein dafür“, so Mühle. Eine gute Vorbereitung auf die Praxis sei das nicht. „Das Leidwesen von Praktikanten ist es häufig, eine billige Arbeitskraft zu sein, ohne in die Strukturen der Einrichtungen eingeführt und integriert zu werden“, betont Janine Nuyken, Vizepräsidentin für Lehre an der Viadrina in Frankfurt/Oder.
Welche Faktoren machen ein Praktikum zu einer bereichernden Erfahrung für die Studierenden, wie sieht das optimale Verhältnis von Betreuung und Selbstständigkeit aus, was sollen, was können Praktika leisten – mit diesen und anderen Fragen setzten sich die Teilnehmer eines Experten-Workshops dieser Tage in Potsdam auseinander. Dazu eingeladen hatte das Institut für Erziehungswissenschaften der Universität Potsdam, das mit seinem Forschungsprojekt „ProPrax“ zur Verbesserung der Praxisphasen während des Studiums beitragen möchte.
„Die Studierenden wollen Praktika, sehen aber durchaus erheblichen Verbesserungsbedarf“, sagt einer der Köpfe von ProPrax, Prof. Karsten Speck von der Universität Oldenburg. In den Praxisphasen werde zu wenig Praxis gelernt – dies sei das immer wiederkehrende Argument, das er von Studierenden höre. Aber auch fehlende Information im Vorfeld und unzureichende Betreuung während des Praktikums würden sehr oft als nachteilig empfunden. Obwohl Praxisphasen mit einem relativ hohen Zeitaufwand einhergingen und wichtig für das Erreichen der Bologna-Ziele seien, würden sie bislang zu wenig beachtet und seien das „Schmuddelkind des Hochschulalltags“, so Speck.
Wie bedeutsam die Studierenden selbst die Praxiseinsätze in Betrieben, Schulen oder Forschungseinrichtungen einschätzen, zeigen aktuelle Daten des Hochschul-Informations-Systems Hannover (HIS). Demnach sehen 90 Prozent der Studierenden an den Universitäten den Praxisbezug ihrer Ausbildung als sehr wichtig oder wichtig an, an den Fachhochschulen teilen diese Einschätzung sogar 96 Prozent. Mit der Förderung der praktischen Fähigkeiten und der Berufs- und Praxisbezogenheit ihres Studiums sind jedoch wenige zufrieden: In den Bachelor-Studiengängen der Universitäten sind es nur ein Viertel aller Studierenden, in den traditionellen Studiengängen mit Diplom- oder Magister-Abschluss ein gutes Drittel. Etwas besser sieht es an den Fachhochschulen aus, wo die gute Hälfte der Bachelor-Absolventen und immerhin fast zwei Drittel der Studierenden aus Studiengängen mit traditionellen Abschlüssen den Praxisbezug ihrer Ausbildung positiv einschätzen. „Das kann meines Erachtens nicht zufriedenstellen“, betont Dr. Christoph Heine vom HIS.
Die Mitarbeiter von ProPrax wollen genau wissen, was ein gutes Praktikum ausmacht. In Kooperation mit ausgewählten Hochschulen der Region Brandenburg-Berlin nehmen sie die Praktika verschiedener Fachdisziplinen unter die Lupe. Erste Ergebnisse zeigen, dass Praktika an Fachhochschulen stärker in den Studienverlauf integriert sind als an Universitäten. Die Wissenschaftler fanden auch heraus, dass eine gute Betreuung während des Praktikums einen hohen Kompetenzzuwachs ermöglicht. Je besser die Betreuung, desto besser wurden neues Fachwissen und neue Methoden erlernt, und desto positiver wurde der Umgang mit Kollegen und Vorgesetzten empfunden. Auch das Maß der Belastung hat Einfluss. Ist es zu hoch, fällt der Wissenszuwachs niedriger aus.
Heike Kampe
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